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BitterSueß

BitterSueß

Titel: BitterSueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Ippensen
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Autoren egozentrisch und sahen in ihren Kollegen oftmals nur die Konkurrenz, die es auszubooten galt. Ich fühlte ein warmes Gefühl von Dankbarkeit in mir aufsteigen.
    Äußerst beschwingt machte ich mich auf den Weg zum Lesungsraum, dachte dabei darüber nach, wie nett es war, einen Verleger zu haben, den frau erotisch anziehend fand.
    Manchmal genügte genau das ja. Manchmal war die Andeutung besser, als den Akt wirklich zu vollziehen. Eine zarte Andeutung von Hors d’Oeuvre konnte gelegentlich der beste Teil einer Mahlzeit sein.
    Allerdings tröstete mich das im Moment nicht übermäßig. Ich war auf der Jagd, und ich lechzte nach einem Erfolg, nach Erfüllung, nach Sättigung, und wenn es nur für kurze Zeit wäre. Meine Situation war nicht mehr lustig.
    Ich schaute mich in diesen neuen Jagdgründen um, musste aber feststellen, dass – abgesehen von Jason, der mit seiner Frau oder Freundin in einer der hinteren Reihen Platz nahm – kein sonstiger sonderlich attraktiver Mann unter dem Publikum zu entdecken war. Niemand, mit dem es sich zu flirten gelohnt hätte.
    Blieb nur noch Manfred. Au weia, dachte ich, wenn ich schon mit diesem Unterton an ihn denke … »nur« … kann das denn etwas werden? Und sei es nur für einen ONS? Trotz aller Dankbarkeit? Die macht eh nicht erotisch?
    Andererseits – mit Frankie hatte es ja auch einigermaßen geklappt. Besser als nichts. In der Not frisst der Teufel … ärgerlich stoppte ich meine so gar nicht positiven Gedankengänge. Wo war die Beschwingtheit hin, die ich noch vor wenigen Augenblicken empfunden hatte?
    Ich hatte in der vordersten Sitzreihe Platz genommen. Nun seufzte ich tief auf, und meine Nachbarin streifte mich mit einem Blick. Sicher nahm sie an, mein Seufzer hätte dem soeben erschienenen Dichter gegolten.
    Da war Manfred, und er hatte noch genau diesen verträumten, leicht melancholischen, also fast klischeehaft typischen »Poeten-Habitus« an sich, an den ich mich noch genau erinnerte. Mal was anderes. Ein leger angezogener Künstlertyp, keiner von diesen scharf gebügelten Herren, die skrupellos lächelten und gnadenlos den Chef raushängen ließen.
    Innerlich entspannte ich mich, und das war ein gutes Gefühl.
    Die Lesung war gar nicht so schlecht besucht, ich zählte mehr als 25 Leute. Manfred erkannte mich sogleich; seine etwas trist wirkende Miene hellte sich auf und er winkte mir sogar zu … ich freute mich schon auf das After-Event-Treffen mit ihm. Bestimmt würde es sehr nett sein. Vielleicht sogar etwas mehr als das.
    Die Lesung begann, und ich stellte fest, dass mir seine Gedichte gut gefielen: sie hatten bei aller Sanftheit und Melodik etwas sehr Männliches an sich, die Bilder waren farbig, aber nicht überladen, die Sprache reich und doch ausgesprochen klar. Ich muss allerdings einräumen, dass ich nicht die ganze Zeit konzentriert zuhörte. Wie alle Lesungen dauerte auch diese hier zu lange, und es gab zu wenig Pausen. Zwangsläufig irrten die Gedanken da mal ab, und ich war noch dazu in einer besonderen Situation, da ich nach wie vor fast schmerzhaft erregt war. In meiner Scham pulsierte es.
    Hin und wieder bewegte ich mich unruhig, schlug die Beine übereinander, so dass mein Rocksaum hochrutschte … und es war noch dazu sehr mini, mein Kleid – Manfred entging dies nicht. Seine Augen, die von einem ungewöhnlich hellen Blau waren, fast wie die Ränder von Eisbergen, streiften mich immer wieder, seine Blicke hüpften von meinen Lippen zurück zu meinen glanzvoll bestrumpften Beinen und umgekehrt. Bewundernswerterweise verlor er dabei nicht ein einziges Mal den Faden, verhaspelte sich nicht im Text. Er war schon immer ein sehr guter Lesender gewesen. Zwar fand ich seine Stimme einen Tick zu hoch und zu dünn, doch das machte er wett durch sein phänomenales Gedächtnis, das ihn die meisten seiner teils doch sehr komplexen Gedichte fast auswendig vortragen ließ. Das kam gut, weil er seinen Blick dabei wie entrückt über uns schweifen ließ.
    Fand ich ihn erotisch anziehend? Ich wusste es nicht. O je, schlechte Antwort, schlechtes Zeichen!, rief die Spielverderberstimme in mir sogleich missbilligend aus, doch ich beschwichtigte sie ohne allzu große Mühe. Macht doch nichts, wir versuchen unser Glück trotzdem. Und wenn gar nichts geht, dann nehmen wir eben den gleichen Trick zuhilfe wie bei Frankie …
    Es gefiel mir nicht übermäßig, dass ich von vornherein mit so etwas rechnete und derart kühl planend meine Strategie entwarf.

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