BitterSueß
ist mein Sexleben weiterhin eine derart ätzende Geschichte?
Um mich von all diesen Fragen abzulenken, habe ich gestern mal etwas total Anderes gemacht. Ich habe weder gearbeitet, noch bin ich ins Weibernest gegangen – sondern ich fuhr in eine andere Stadt, um dort eine literarische Lesung zu besuchen.
Es las Manfred, ein etwa 36 Jahre alter Dichter, Lockenkopf mit umflorten Blick, den ich flüchtig von früher kannte, noch von der Uni her; wir hatten uns gemeinsam durch ein unsägliches Mörikeseminar hindurchgequält. Würde sicher ganz amüsant sein, den mal wiederzusehen.
Schon als ich mit dem Zug losfuhr, war ich gehobener Stimmung – ich hatte das Gefühl, dass es ein schöner Abend werden würde. Endlich mal mit der Bahn unterwegs OHNE zum Job jachtern zu müssen, das hatte was. Gemütlich räkelte ich mich in meinem Fenstersitz – das Abteil war ansonsten leer – genoss es, nach draußen zu schauen und vor mich hin zu träumen. Das Wetter gab, wie im November üblich, nicht viel her: grauer Nebel über feuchten Wiesen und Feldern, die nur noch von Krähen besucht wurden und deshalb schwarz gesprenkelt aussahen.
Ich hatte mich schick angezogen, trug mein eng anliegendes sandfarbenes Strickkleid, das meine Kurven gut zur Geltung brachte, und meine Schuhe waren hoch genug, um sexy zu sein, aber nicht zu hoch: Ich konnte noch ganz ordentlich damit laufen.
Als ich – ganz gegen meine sonstige Gewohnheit viel zu früh – in S. ankam, das Bürgerhaus glücklich gefunden und es soeben gutgelaunt betreten hatte, wartete gleich eine erfreuliche Überraschung auf mich: ein gut aussehender dunkelhaariger Fremder sprach mich an.
»Verzeihung, sind Sie nicht Janet S.?«
»Ja – und woher kennen Sie mich?«, lächelte ich zurück.
»Ich habe soeben einen kleinen Verlag gestartet«, antwortete er selbstbewusst, »und mit Manfred über die Autorenkollegen und –kolleginnen gesprochen, die er so kennt. Mein Name ist Jason Schuster.«
»Das ist ja interessant«, murmelte ich. »Welche Werke verlegen Sie denn … ich meine: Welchen Schwerpunkt soll Ihr Verlag haben?«
Er strahlte mich gewinnend an. »Besprechen wir das doch bei einem Kaffee, was halten Sie davon? Wir sind beide dermaßen überpünktlich zu Manfreds großem Auftritt erschienen, dass dafür noch genug Zeit bleibt.«
Ich nahm Jasons freundliche Einladung sofort an, wobei ich nicht recht wusste, ob ich es a) einfach so tat, b) wegen seiner klaren grauen Augen und des hübschen Grübchens am Kinn oder c) weil ich mich als Autorin für seine verlegerischen Pläne interessierte. War ja eigentlich auch egal.
Als ich dann aber mit ihm am Tisch saß und wir fröhlich plaudernd unseren Cappuccino schlürften, spürte ich von Minute zu Minute deutlicher, wie attraktiv ich ihn fand und wie ausgehungert ich nach gutem Sex war. Punkt b) wurde übermächtig.
Verdammt, Janet, benimm dich doch mal professionell!, schimpfte ich mit mir selbst. Denk dran, das ist ein VERLEGER! Für die junge noch um Beachtung kämpfende Autorin doch so eine Art Märchenprinz! Egal wie erfolgreich der wird, er sieht auf jeden Fall smart und dynamisch aus, wäre doch megacool, von Anfang an mit dabei zu sein. Doch diese vernünftigen Gedanken konnten nicht verhindern, dass ich eine angenehme Wärme durch meinen Unterleib fluten fühlte; mein Kopfkino sprang an und lieferte mir erregende Bildsequenzen. Wie üblich verzerrten sich meine Phantasien sogleich ins Bizarre, Sonderbare.
Jason erzählte voller Begeisterung von seinem Verlag: SCHATTENGOLD würde er heißen, von seinen Plänen, wie er sein Erstprogramm gestalten wollte, und ich hörte nur mit halbem Ohr zu, ich sah mich von ihm gepackt und auf den Tisch gedrückt, sah vor mir, wie er mich grob entkleidete und dann die Kellner rief, damit die mich anfassten. Er befahl mir, stillzuhalten. Spreizte mir die Beine … Kurz verwandelte sich der Phantasie-Jason wieder in den realen, und er holte aus seiner Aktentasche mehrere Beispielcover für die ersten Werke, die er zu veröffentlichen gedachte. Sein Verlag befasste sich mit Horror, Hardcore-Mystery und Endzeit-Erotik. Ja, gerne mit dunkler Erotik, »ruhig auch viel davon. Das verkauft sich auf jeden Fall«, sagte er mit seiner schönen klangvollen Stimme.
Ich merkte, wie die Hitze mir bis ins Gesicht stieg, mit Sicherheit wurde ich erdbeerrot, mir war nur nicht klar, ob durch die sehr erregenden Coverbilder oder durch die Nennung des dritten Genres. Es schien hervorragend
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