BitterSueß
mich gefragt, und ich machte mir endlich mal die Mühe, gründlich darüber nachzudenken.
Sie erzählte mir von ihrer kleinen Witwenrente, die sie mit dem Theaterspielen und mit ihrer Tätigkeit als Kräuterfrau aufbesserte. Wow!, dachte ich da, denn Heilkräuterkenntnisse zu haben, das interessierte mich fast genauso wie die Schauspielerei. Und sie lebte nicht allein, sondern in einer Wohngemeinschaft.
Ich fragte sie, was sie vom Weibernest halten würde, jetzt, wo sie es auch von innen kannte.
»Mal abgesehen von dem Zwischenfall mit Alpha, der ja aber auch sein Gutes hatte …«
Sie sah mich aufmerksam an. »’atte er das?«
»Und ob! Als sie sagte, sie würde aus Spaß trinken … das war ja sowas von gelogen!« Ich schüttelte den Kopf. »Zum ersten Mal habe ich das wirklich erkannt, und das verdanke ich dir. Bis jetzt habe ich es immer nur insgeheim gedacht, es aber von einem Dritten laut und deutlich ausgesprochen zu hören, hat mir die Augen geöffnet.«
»Es ist aber schmerzlich, nit wahr?«
»Ja, das ist es. Sie ist immer noch meine Freundin, und ich möchte ihr gern helfen.«
Es war wohltuend, daraufhin von Marie-Louise zu hören, wie gut sie mich verstünde, dass man aber nur den Menschen helfen könne, die auch bereit dazu seien. »Wenn Alpha deine ’ilfe nit akzeptiert, ist es sinnlos. Da beißt du auf Granit. Wenn sie noch nit einmal sieht, dass sie ’at ein Problème … vergiss es.« Energisch trank sie ihr Glas Mineralwasser aus – wir waren wieder einmal in dem Theatercafé, das mir um so vieles wärmer und gemütlicher vorkam als das Weibernest.
»Ich glaube, du hast recht«, sagte ich nachdenklich.
Marie-Louises Blicke hielten mich beobachtend, abwägend und gedankenvoll umfasst.
»Sage einmal, Jeanette – was bedeutet dir Alpha? Ihr kennt euch schon eine Weile, nit wahr? Was bedeutet sie dir wirklich?«
Oh. Das war eine schwere Frage. Ich spielte mit dem Stiel meines Glases und zuckte die Achseln. »Ich weiß es nicht«, murmelte ich.
»Doch, du weißt es. Aber vielleicht ist die Dseit noch nit reif, um darüber zu sprechen.«
Ja, das mochte wohl so sein. Marie Louise ist eine sehr weise Frau, dachte ich da. Nicht zum ersten, und bestimmt auch nicht zum letzten Mal. Alpha war mein neuralgischer Punkt, das ließ sich nicht leugnen. Ein Teil von mir sträubte sich heftig dagegen, die Freundschaft zu beenden, wollte sie nicht verlieren, obwohl ein anderer Teil schon längst wusste, dass es Zeit war, diesen Abschnitt meines Lebens loszulassen.
»Und – welchen Eindruck hast du nun mitgenommen von unserem wunderbaren, einzigartigen Weibernest?«, ergriff ich das Wort, um von dem unangenehmen Thema »Alpha« ein wenig wegzukommen. Ich konnte nicht verhindern, dass sich in meine Frage ein wenig Sarkasmus einschlich und meine Stimme dementsprechend etwas bitter klang.
»Isch kann sehen, dass früher einmal Idealismus und Eifer und Ideenreischtum in eurem Frauencafé wohnten«, gab Marie Louise zur Antwort, »aber das ist lange her, n’est-ce pas? Jetzt macht es fast den Eindruck, ein Ort ohne Seele dsu sein.«
Es gab mir einen Stich, doch auch das stimmte.
Nach einer Weile fragte mich Marie-Louise, wie wichtig mir denn das Schreiben sei.
Wir hatten inzwischen schon einen solchen Grad an Vertrautheit erreicht, dass ich gleich merkte, worauf sie hinauswollte – es ging um den Sekretariatsposten, den »der Q.« mir angeboten hatte.
»Das Schreiben bedeutet mir sehr viel!«, antwortete ich spontan und fühlte, wie mein Herz schneller klopfte vor Ehrgeiz und Ungeduld, einfach vor innerer Bewegung. »Ich wünschte, ich hätte mehr Zeit dafür. Aber nach einem 12 bis 14 Stunden Tag beim Projekt – da kannst du dir ausmalen, wieviel übrig bleibt, um sich Geschichten auszudenken und die auch noch aufzuschreiben. Sogar Tagebuch führe ich fast ausschließlich, wenn ich im Zug unterwegs bin.«
Ich schwieg einen Moment lang und setzte dann hinzu: »Weißt du, Marie-Louise, ich bin fast froh, dass QUASI zum Jahresende abgewickelt sein wird. Auf jeden Fall habe ich dann mehr Zeit, egal wie ich mich entscheide …«
Meine neue Freundin blieb hartnäckig.
»Aber darum geht es doch erst einmal nit, Janet.« (Sie sprach meinen Namen immer französisch aus, also ‚Jeanette’, was ich liebte). »Sag mir, was du spontan empfindest, wenn du dran denkst, andszunehmen dieses Angebot und nach Stüttgart zu gehen. Was denkst du?«
»Ich sage mir genervt: Oh nein, nicht schon wieder! – Denn
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