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BitterSueß

BitterSueß

Titel: BitterSueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Ippensen
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lauter Verlegenheit griff ich schon wieder nach einer Zigarette. Galant gab Andy mir Feuer. Und ich muss zugeben, ein Teil von mir geriet in Versuchung. Einfach alles hinter mir lassen, ein neues Projekt anfangen in Holland, ein neues Abenteuer!
    »Sie hoffen also nicht darauf, QUASI wenigstens noch abzuwickeln, Herr Young – oh, fast hätte ich jetzt ‚abzufackeln’ gesagt?« Das war ACW, wer sonst, mit einem metallischen Lachen.
    »Nein. Den Ruhm und die Ehre, der letzte QUASI-Projektleiter zu sein, überlasse ich gern anderen«, erwiderte Andy gelassen.
    In diesem Moment erschien »der Q.«, und auch unser Essen kam.
    »Perfekter Zeitpunkt!«, begrüßte ihn ACW, und ich dachte, ach du lieber Himmel, natürlich wird heute Abend verkündet, wer QUASI abwickelt. Und somit auch mein Hauptchef werden wird für die verbleibenden zwei Wochen.
    Ich wünschte mir, es möge ACW sein. UND ich empfand wollüstige Furcht bei dieser Vorstellung und fügte in Gedanken entsetzt hinzu: BLOSS NICHT!
    Beim Dessert war es dann tatsächlich so weit.
    »Der Q.« blickte der Reihe nach in unsere Gesichter und sagte dann mit seiner angenehmen Stimme: »Werte Frau S., meine Herren – es wird Zeit Ihnen mitzuteilen, wer unser Projekt zu einem möglichst würdigen Abschluss führen soll.«
    Seine Augen verharrten auf Anders Muse und er fügte hinzu: »Herzlichen Glückwunsch, Herr Muse.«
    Es war eine ungewöhnliche Entscheidung, vor allem, weil Muse noch so jung war – keine 30 – und mein rundlicher Chef lief vor Überraschung und Freude tomatenrot an.
    ACW hingegen wurde blass. Es war das erste Mal, dass ich ihn sprachlos und geschockt erlebte; es dauerte eine ganze Weile, bis er sich zu einer gemurmelten Gratulation an Muses Adresse aufraffen konnte.
    Obwohl ich auf diese stachlige, widerborstige, bittersüße Weise in ACW verschossen war (so musste ich es ja wohl nennen!), konnte ich nicht verhindern, dass ich Andy Youngs schadenfrohes Zwinkern bereitwillig erwiderte, als sich unsere Blicke trafen.
    Andy Young fuhr mich auch zum Bahnhof, und auf dem Weg dorthin erzählte er mir, dass es ihm durch geschicktes Taktieren gelungen war, eine dicke Abfindung herauszuschlagen bei seinem Abschied – und allein deshalb war es ihm herzlich egal, dass er beim Projekt nicht mehr erwünscht war.
    Ach, das Projekt! So viele Andeutungen, Intrigen, Rätsel – die niemals aufgelöst werden würden. Und auch nicht mussten. Und dieser Reiz der Andeutung, des Geheimnisvollen, Dunklen, blieb. Es war wie bei einer guten Fantasy- oder Horrorgeschichte. Hm, vielleicht sogar wie IMMER bei Literatur, die etwas auf sich hielt. Krimis vielleicht ausgenommen, dachte ich.
    In meiner Zeit bei QUASI hatte ich vieles mitgekriegt und auch bei der einen oder anderen Sache mitgemischt, aber ich konnte nicht behaupten, alles zu durchschauen. Machte nix.
    Der Reiz der Andeutung … insgeheim spürte ich dem Klang dieser Worte nach.
    Meiner persönlichen Überzeugung nach würde die hochspezielle, individuell auf den Kunden zugeschnittene Software, die wir QUASIANER entwickelt und ihm überteuert verkauft hatten, kaum ein Jahr überdauern. Hatte »der Q.« nicht auch so etwas angedeutet …?
    Als ich im Zug saß, übertrug ich meine Gedanken hierzu auf meine intime Situation. Reiz der Andeutung … wollte ich am Ende auch in eroticis nur das und nicht mehr? Hatten meine Phantasien und Tagträume nicht etwas höchst Angenehmes? An allem anderen würde ich mir bestimmt die Finger verbrennen.
    Aber irgendetwas in mir ließ nicht locker. Stach und bohrte weiter in mir und WOLLTE es herausfinden. Erforschen. Erobern.
    Und so blieb ich wieder einmal, zwischen Neugier und Furcht zerrieben wie zwischen zwei großen Mühlsteinen, und das hatte abermals etwas ausgesprochen Tantalusqualhaftes an sich.
    Jetzt muss ich nur noch dem »Q.« meinen Entschluss mitteilen.
15. Dezember 2002
    Die Ereignisse überschlagen sich!
    Also, zunächst einmal die Sache mit Stuttgart. Ich weiß ja haargenau, wie meine Eltern die Hände über dem Kopf zusammenschlagen würden, wenn sie das wüssten! Eine so sichere, tolle, solide Stellung ausschlagen, wie kannst du nur, Janet!, würden sie jammern, und zwar alle beide. Nach allem, was wir dir beigebracht haben, nach der teuren Ausbildung und …
    Zum Glück wissen sie’s nicht, ich habe ihnen nie vom Angebot des »Q.« erzählt. Davon abgesehen fällt es mir in letzter Zeit sehr viel leichter, diese elterlichen Stimmen zum Verstummen zu

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