BitterSueß
unvermeidlich war, um unser sterbendes Projekt.
»Ich habe das lange kommen sehen«, äußerte ACW, indem er sich zurücklehnte. Er lächelte wie ein Kater, der soeben den Sahnetopf ausgeschleckt hatte.
Ich musterte ihn von der Seite. Ja, bestimmt hast du dein Schäfchen schon längst ins Trockene gebracht …, dachte ich.
»Dessen bin ich mir absolut sicher«, spottete Andy Young und prostete seinem Lieblingsfeind zu.
»Was genau wollen Sie damit sagen, Herr Young?«, grinste ACW. Er siezte alle Kollegen, das vertrauliche Du gab es bei ihm nicht, sondern nur vollendete Förmlichkeit. Aber seine Höflichkeit in Verbindung mit seinem ironischen Grinsen, das war schon etwas, was einen zur Weißglut bringen konnte. In der Vergangenheit hatte ich oft genug erlebt, wie es Andy Young in Rage versetzt hatte! – Jetzt schien er das überwunden zu haben.
Andy, der eine aromatische Pfeife rauchte, nahm dieselbe aus dem Mund und wies mit dem Stiel auf ACW: »Nun, ich bin sicher, dass QUASI ein längeres Leben vergönnt gewesen wäre, wenn man Sie nicht ins Boot geholt hätte, Mister Wild.« Das brachte er mit ziemlicher Gelassenheit.
Sie fixierten einander, und dann lachte ACW und meinte: »Sie waren recht lange weg vom Fenster, oder? Wie können Sie da überhaupt noch auf dem Laufenden sein? Und irgendetwas, was Ihre sonderbare Missgunst mir gegenüber untermauern könnte, haben Sie eh nicht in der Hand.«
Die Tatsache, dass sich eine Spur bayrischer Färbung in seine Aussprache einschlich, zeigte mir, die ich ihn als Chef gut kannte, dass er doch ein kleines bisschen nervös war.
Andy Young wahrte die Ruhe und zog nur ganz leicht die Augenbrauen hoch.
»Aber werte Kollegen!«, mischte sich nun Muse vermittelnd und beschwichtigend ein. »Wir wollen uns doch an diesem besonderen Abend nicht wie Kampfhähne aufführen?! Trinken wir lieber auf das Wohl unserer allseits geschätzten Sekretärin Janet S.«
Er orderte eine Flasche Champagner und sowohl ACW als auch Andy Young hörten auf den Muse.
Wir hoben alle unsere Gläser.
»Auf Janet S., unsere fähige und diskrete Office-Assistentin!«, sagte Andy Young, und Herr Muse sagte gleich begeistert: »Darauf trinke ich, in der Tat!«
»Auf Frau S., unsere fähige und ÜBERAUS diskrete Sekretärin!«, schloss sich ACW mit einem sardonischen Lächeln an.
Ich wurde blutrot (ich wusste, wie es sich anfühlte, wenn der Purpur der Verlegenheit in meine Wangen stieg); es war geil; ich genoss wieder einmal jede Sekunde und gleichzeitig nörgelte die moralinsaure Spielverderberstimme in mir herum, dass man oder vielmehr frau so etwas nicht genießen DÜRFE, der ACW sei ein Schwein, ein sexistisches, das solche Spitzen und Sticheleien mit Vorliebe auf mich abfeuerte, um mich zu demütigen … Es gelang mir, diese Stimme nicht zu laut werden zu lassen.
In ACWs Augen glitzerte es wie von blaugrünen Eiskristallen, während die von Andy Young warm wie flüssige Schokolade waren – und doch ließ letzterer mich kalt, während ich auf ersteren nach wie vor abfuhr.
Ich trank meinen köstlich schmeckenden Champagner bis zur Neige und seufzte leise. ACW schenkte mir heute ungewöhnlich viel Aufmerksamkeit.
»Wie man hört, zieht es Sie zu höheren Weihen? Anspruchsvollere Aufgaben in Stuttgart warten auf Sie?«, schnurrte ACW, mich weiterhin auf diese edelsteinkühle Weise anblickend. »Sie werden übernommen?«
»Woher haben Sie denn diese Information?«, erwiderte ich rasch und versuchte meiner Stimme einen verächtlichen oder wenigstens scharfen Klang zu geben, was aber kläglich danebenging. Ich hörte mich eher piepsig an. Eine Antwort auf meine Frage kriegte ich nicht – ACW schnalzte nur leise mit der Zunge und grinste in sich hinein. Wie typisch für ihn.
Young und Muse betrachteten mich aufmerksam.
»Ist das wahr, Janet?«
»Vielleicht«, brummte ich. »Vielleicht auch nicht.« Und weil alle mich weiterhin anstarrten, fügte ich einigermaßen wütend hinzu: »Ich hab mich noch nicht entschieden, okay?«
Andy Young zog wieder an seiner Pfeife.
»Nun – ich wünsche Ihnen jedenfalls nur das Beste, Janet«, meinte er friedfertig.
Ich lächelte ihn an. »Was werden Sie tun?«
»Oh, da ich sicher bin, heute Abend endgültig freigesetzt zu werden – was für ein schönes Wort – habe ich schon lange zuvor ein paar Hebel in Bewegung gesetzt. Ein Teil von mir hatte sogar gehofft, Sie begleiten mich, Janet … Ich mache mich selbständig, in den Niederlanden.«
Vor
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