BitterSueß
sei alles ein Traum gewesen.
Ich sollte wirklich auf die imaginäre Marie-Louise hören. Zum Glück kommt sie heute Abend auch zurück; ich freu mich schon darauf, ihr von meinem Rutsch ins Neue Jahr zu erzählen. Dabei ordnet sich für mich bestimmt wieder einiges ein.
Letztendlich entschied ich mich für einen klassisch-schlichten tiefbraunen Minirock und eine champagnerfarbene Bluse, und auf Schmuck verzichtete ich weitestgehend. Flache Schuhe trug ich, und meine Strumpfhosen glänzten leicht.
Als ich vor seiner Tür im 2. Stock des blassroten Eckhauses stand, war ich doch ein bisschen nervös. Ich klingelte hastig, ehe mir einfiel, ich wollte doch noch einen Blick in den Handspiegel werfen.
Phelan öffnete sehr schnell, strahlte übers ganze Gesicht und betrachtete mich schweigend, aber so intensiv, dass ich für einen Moment dachte, ich hätte vielleicht zu viel von dem verrückten Starlight-Gloss auf meine Lippen getupft. Aber in der nächsten Sekunde merkte ich, dass ich mich in seinem bewundernden Blick sonnte, dass es mir gut gefiel, so von ihm angeschaut zu werden, dass ich es knistern spürte, dass meine Haut zu prickeln anfing, obwohl er mich noch nicht einmal berührt hatte.
Ja, genau das war es, worin er sich schon von anderen Männern unterschied: Er sah mich RICHTIG an. Bei vielen anderen Kerlen hatte ich oft den Eindruck, nur flüchtig gemustert und in die Kategorie »Okay, das geht in Ordnung, kann ich vögeln« gesteckt zu werden, und überhaupt gingen sie an einen Flirt entweder cool-nüchterngeschäftsmäßig heran oder so, als ginge es darum, ein Wurstbrot zu verschlingen, und zwar möglichst zeitsparend und effektiv.
Wohlgemerkt, ich verlange nicht etwa von jedem Mann, dass ihm die Romantik aus sämtlichen Poren quillt. Neinnein. Nur: Ein Ahnung davon zu spüren, dass es für ihn etwas Besonderes ist, unser Zusammensein, dass auch er einen Hauch Magie wahrnimmt – hey, DAS isses.
Ich glaub eigentlich nicht, dass ich damit so alleine dastehe.
Jedenfalls – in eben diesem Moment, als ich in Phelans leuchtende, bernsteinbraune Augen sah, die mich auf diese magische Weise gefangennahmen, ergriff mich eine Ahnung, dass die kommende Nacht anders verlaufen würde als ich es bisher erlebt hatte. Mir schienen die verflossenen Männer allesamt schwarzweiß, wie öde Zeitungsartikel im Wirtschafts- oder Sportteil eines Käseblattes – Phelan hingegen war ein bunter und zugleich anspruchsvollerComicband.
Oh Achtung, Vorschusslorbeeren!, warnte mich die Spielverderberstimme.
Verdammt, die schon wieder. Dabei hatte ich so gehofft, dass die sich für diesen Abend Urlaub genommen hätte!
»Janet, wie schön, dass du da bist!«, sagte Phelan mit seiner dunklen Stimme. »Du siehst bezaubernd aus. Herein mit dir.« Und mit einer eleganten Geste lud er mich in sein Reich ein.
Es war einfach, aber geschmackvoll eingerichtet. Ich sah helle Ikea-Regale und Sessel, vielfarbige Flickenteppiche, Filmposter und Landschaftsaquarelle an den Wänden. Eine Zwei-Zimmer-Wohnung mit Balkon, den er mir sogleich stolz vorführte.
»Ideal, um das Feuerwerk nachher anzuschauen«, meinte er.
Es war schön warm, aber nicht zu warm in seiner Wohnung, und den Esstisch hatte Phelan bereits festlich gedeckt. Nur indirektes Licht erhellte den Raum sowie zwei silberne Kerzen auf dem Tisch.
»Ich hoffe, du verzeihst mir, dass es nur Pizza und Salat gibt«, erklärte Phelan, die Stirn besorgt in Falten gelegt, »so der absolute Koch bin ich nämlich nicht. Dafür habe ich einen exzellenten Weißwein.«
Ich versicherte ihm, dass das mit der Pizza völlig okay sei. Er lächelte erleichtert und nahm sich die Weinflasche vor. Mit einem leisen Plopp sprang der Korken aus dem Flaschenhals.
»Schließlich bin ich nicht zum Essen hier«, rutschte es mir heraus – erschrocken presste ich sofort eine Hand auf den Mund, und ohne jeden Zweifel wurde ich erdbeerrot. Janet, die Erdbeere im Winter. Fast hätte ich aufgestöhnt. Ich wusste gar nicht, wieso, aber die Bemerkung war mir tatsächlich mit äußerst zweideutiger Betonung über die Lippen geschlüpft. Was mochte Phelan jetzt von mir halten?
Er lachte lauthals – doch es war ein freundliches Lachen, und er schaute mich zwar neckend, doch zugleich voller Wärme an.
»Das trifft sich gut, my dear«, grinste er, »für mich steht heute die Nahrungsaufnahme ebenfalls nicht im Mittelpunkt meines Interesses.«
»N-normalerweise neige ich nicht zu s-solchen Äußerungen«,
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