Bittersüße Heimat.
ihrem Beitrag darauf hin, dass sich die Situation vor allem der deutschen Juden in der Türkei nach dem Tod Atatürks dramatisch verschlechterte. Kaum einer der Wissenschaftler blieb nach Ende des Weltkriegs länger als nötig. Auch dieser für das Verständnis eines Projekts, mit dem – ich zitiere noch einmal das Goethe-Institut – ein »bedeutendes Kapitel deutsch-türkischer Beziehungen erschlossen« werden soll, unersetzliche Beitrag wurde nicht ins Türkische übersetzt. Die auf deutscher Seite für die Ausstellung Verantwortlichen haben sich entweder dem politischen Druck der Türkei gebeugt oder, was genauso schlimm wäre, Selbstzensur betrieben.
Im deutschen Katalog werden unter der Überschrift »Religiöse Minderheiten im Osmanischen Reich und in der Türkei« auch der Völkermord an den Armeniern von 1915, die mangelnde Hilfsbereitschaft gegenüber türkischen Juden im Ausland, die Katastrophe der »SS Struma« und die Emigration der jüdischen Türken 1948 nach Israel dokumentiert.
Zur Eröffnung der Ausstellung im Januar 2000 wollte der türkische Botschafter in der Bundesrepublik, Turgay Ulucevic, eine Rede halten. Als er den Katalog in die Hände bekam, sagte er ab. Zur Begründung seiner Absage zitierte er folgende – für ihn nicht akzeptable – Aussagen aus dem Katalog: »1915: Mit Wissen der Obersten Deutschen Heeresleitung, der deutschen Regierung und insbesondere des deutschen Auswärtigen Amtes und mit aktiver deutscher Beteiligung wurden auf Befehl der regierenden Jungtürken bis 1917 durch Militär und paramilitärische Milizen 1,2 bis 2 Millionen Armenierinnen und Armenier deportiert und ermordet. Der Krieg, vor allem der mit Russland, diente zur Begründung der Deportationen und erleichterte den Völkermord. 1918, am 30. Oktober, endete für die Türkei mit dem Waffenstillstandsabkommen von Mudros der Weltkrieg, die Kriege im Inneren dauerten bis 1923 an. Am 8. Oktober trat die jungtürkische Regierung zurück. Am 4. November begannen in Istanbul – von armenischen und griechischen Parlamentariern initiiert – parlamentarische Debatten über den Genozid an den Armenier/innen und die Vertreibung osmanischer Staatsbürger griechischer Herkunft. Am 14. Dezember wurden auf Druck der britischen Besatzer Sonderkriegsgerichtshöfe zur Untersuchung des Genozids an den Armenier/inne/n gegründet. 1919: Am 10. April wurde das erste Todesurteil wegen Beteiligung am Völkermord vollstreckt. Demonstrationen gegen die Hinrichtung dauerten tagelang an.«
Diese historischen Tatsachen zitiert der Botschafter aus dem Katalog, um dann zu folgern: »Es ist mehr als bedauerlich, dass eine Ausstellung, der eine so positive Intention unterliegt, von einigen Kreisen für deren schlechte Absichten missbraucht werden kann. (…) Ich möchte noch einmal mein Bedauern darüber zum Ausdruck bringen, dass Ihre Vorwürfe gegen die Türkei Eingang sowohl in den Katalog der Ausstellung als auch in die Ausstellung selbst gefunden haben. Wegen dieser Verleumdung meines Landes werde ich, entgegen meiner obigen Zusage, nicht zu der Ausstellungseröffnung erscheinen.« 79
› Hinweis
Geschichtsklitterung
Wir kennen diese Haltung der türkischen Regierung und der türkischen Öffentlichkeit bis heute. Sie hat letztlich zu dem Mord an dem armenischen Journalisten Hrant Dink geführt und die Anklagen nach § 301 gegen den Schriftsteller Orhan Pamuk und etliche andere begründet. Aber wenn sich eine bundesdeutsche Institution wie das Goethe-Institut die Tabuisierung des Völkermords an den Armeniern und der Vertreibung der Griechen aus der Türkei gleichsam zu eigen macht und entweder selbst veranlasst oder aber zulässt, dass aus der türkischen Fassung der Ausstellung und des Katalogs Aussagen dazu entfernt werden, dann ist das ein Missbrauch ihres kulturpolitischen Auftrags, der eindeutig gegen die Erklärungen des Deutschen Bundestages verstößt, der in seiner Armenienerklärung feststellt: »Er ist aber fest davon überzeugt, dass eine ehrliche Aufarbeitung der Geschichte notwendig ist und die wichtigste Grundlage für Versöhnung darstellt.« 80
› Hinweis Und es ist ein Verrat an allen, die sich in der Türkei mutig dieser Leugnung des Genozids entgegenstellen.
In der türkischen Ausgabe des »Haymatloz«-Katalogs wird einezensierte und damit falsche Darstellung des Exils in der Türkei präsentiert. Eine deutsche Institution darf die historische Wahrheit nicht aus Gründen politischer Opportunität
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