Bittersueße Sehnsucht
Vorhängeschloss verschließen und in der Tiefe meiner Seele versenken. An David tippte ich eine Antwort und vertröstete ihn auf morgen. Promt kam eine Antwort von ihm:
Schade…habe solche Sehnsucht nach dir…dann muss ich heute Abend meine Hände wohl allein auf die Reise schicken und dabei an dich denken…Kuss
Ich rollte mit den Augen, als ich Davids Antwort auf meinen Text las. Er war manchmal schon ein kleines Ferkel. Einerseits wäre ich jetzt auch gern bei ihm gewesen, hätte mich in seine Umarmung gekuschelt, wie ein kleiner Vogel in sein Nest. Aber andererseits war ich auch ganz froh, gerade allein mit mir und meinen Gedanken zu sein. Ich wollte in meinen Kopf erstmal wieder Ruhe reinbringen. Und deshalb beschloss ich, mich in meinem Zimmer zu verschanzen, bis ich morgen bei Lydia war.
***
Ist Lydia eigentlich verheiratet?,
fragte ich mich gerade, als ich mich am nächsten Morgen um neun Uhr aus meinem Schlafanzug schälte und meinen Kleiderschrank öffnete. In Gedanken griff ich hinein und nahm den erstbesten warmen Pulli und eine dunkelblaue Röhrenjeans. Wenn sie keinen Mann haben sollte, fragte ich mich, warum Papa sie nicht schon lange mal ausgeführt hatte. Lydia war für ihr Alter von einundfünfzig Jahren eine extrem attraktive Frau, mit kastanienfarbenem Haar und grünen Katzenaugen. Sie war schlank und sportlich, gebildet und hat einen prima Sinn für Humor. Als ich so über ihre Vorzüge nachdachte, wurde mir klar, so jemand wie sie musste einen Mann haben. Und wenn nicht, lagen ihr die Verehrer sicher zu Füssen.
Um halb zehn saß ich in der S-Bahn Richtung Stadtmitte. Langsam wurde ich nervös. Was sollte ich Lydia nur erzählen? Die Wahrheit? Nein, das traute ich mich nicht. Zu groß war immer noch meine Angst, dass mir niemand glauben würde. Ich wurde aprubt aus meinem Grübeln gerissen, als die Bahn hielt und die Türen aufgingen. Ich sprang auf und hechtete zur Tür. Um ein Haar hätte ich meine Station verpasst.
Ich stand vor dem modernen Gebäude, hinter dem sich eines der nobelsten Hotels in ganz München verbarg. Nervös zupfte ich an einem Faden, der von meinem Handschuh baumelte. Ich atmete tief durch und trat durch die Automatiktür. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Mit festem Schritt lief ich Richtung Rezeption.
Ich blieb vor dem Tresen stehen, doch niemand beachtete mich. Nach einem kurzen Räuspern blickte der Angestellte auf und schien mich endlich zu registrieren. Er musterte mich von Kopf bis Fuß, stellte dann fest, dass ich nicht zum üblichen Klientel gehörte und stellte seine Frage nur widerwillig: „Hallo, willkommen im Munich Palais. Wie kann ich Ihnen weiterhelfen?“ Sein Mund verzog sich zu einem einstudierten Lächeln. Meine Augen verengten sich, als ich mich über den Tresen in seine Richtung beugte. „Mein Name ist Schwarz. Mila Schwarz. Frau Diedwich erwartet mich“, erklärte ich ihm in einem Tonfall, der keine Fragen offen ließ.
Anscheinend bekam der junge Mann nun doch etwas die Hosen voll, nachdem Lydias Name gefallen war, denn plötzlich veränderte sich seine Miene. „Oh…äh…ja – natürlich. Ich werde Frau Diedwich sofort Bescheid sagen. Wenn Sie bitte in der Lobby kurz Platz nehmen – Sie werden gleich abgeholt“ Sein Lächeln wirkte dieses Mal echt, als er an mir vorbei, auf die Warteecke im Loungestil zeigte.
„Vielen Dank“, erwiderte ich artig und schlenderte auf eine monströse Ledercouch zu. Ich ließ mich nieder und hatte das Gefühl von dem Sitzungetüm regelrecht verschlungen zu werden. Von hier aus hatte ich einen guten Blick, auf den Rezeptionist und musterte ihn noch mal genauer. Vom Alter her schätzte ich ihn auf Anfang Zwanzig. Seine schokobraunen Haare waren passend zu seinem Arbeitsumfeld akkurat gestylt.
Eigentlich sieht er gar nicht mal so schlecht aus!,
ertappte ich meine Gedanken. Innerlich rügte ich mich dafür sofort! Schließlich hatte ich momentan echt andere Probleme, als diesen Typen an der Rezeption und außerdem auch noch einen Freund. Da fiel mir David wieder ein. Ich beschloss, ihn nach dem Treffen mit Lydia zu besuchen. Schließlich hatte er sich auch extra ein paar Tage frei genommen, damit wir wenigstens einen Teil meines Urlaubs zusammen verbringen konnten.
Ich wurde jäh aus meinen Gedanken gerissen, als ein junges Mädchen wie aus dem Nichts neben mir stand und mich mit Fispelstimme begrüßte: „Frau Schwarz? Hallo, mein Name ist Julika Peters, ich bringe sie in Frau Diedwichs
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