Bittersueße Sehnsucht
ausgemacht.
„Danke für das Frühstück“, versuchte ich meine Stimme wieder heiterer klingen zu lassen und spähte über den Rand des Tabletts.
„Gern, lass es dir schmecken. Ich bin im Arbeitszimmer“ Er wandte sich zum Gehen, blieb auf der Schwelle zum Flur aber noch mal stehen, drehte sich zu mir um und sah mich durchdringend an. „Ist wirklich alles in Ordnung?“ Seine Frage klang ernst und voller Furcht, es könnte tatsächlich nicht alles in Ordnung sein. „Doch doch!“ Ich nickte schnell und schob mir ein großes Stück Waffel in den Mund, um einer weiteren Konversation aus dem Weg zu gehen. „Dann ist´s ja gut.“ Sichtlich erleichtert trat er aus meinem Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
Als er gegangen war, zog ich mir die Decke wieder bis ans Kinn und grübelte. Was sollte ich denn jetzt nur tun? Allein bei dem Gedanken, nach meinem Urlaub wieder zurück zu kehren, drehte sich mir der Magen um. Ich schaltete den Fernseher ein und ließ mich berieseln.
Irgendwann konnte ich nicht mehr liegen, sprang auf und schaltete meinen PC an. Irgendetwas sagte mir, dass ich schnell handeln musste. Ich war mir sicher, dass ich es nicht schaffen würde, in drei Wochen wieder zur Arbeit zu gehen, als wäre nichts gewesen. Wieder stieg die Wut in mir auf.
Weil mir nichts Besseres einfiel, suchte ich sämtliche Telefonnummern von Hotels in München raus. Das waren einige, aber sollte ich dort wirklich anrufen? Und wie sollte ich meine Situation erklären? Probleme mit dem Vorgesetzten - das klang einfach viel zu vage.
Da fiel mir Lydia ein. Lydia war eine ehemalige Klassenkameradin und langjährige Freundin meines Vaters. Ich hatte sie schon immer sehr gemocht, sie war eine gutherzige, hilfsbereite Person. Lydia leitete ein Vier-Sterne-Hotel im Zentrum von München. Ob ich sie anrufen sollte? Oder würde sie dann alles meinem Vater erzählen?
Ich war hin und her gerissen.
Zitternd griff ich zum Hörer, es war fast so, als würde es automatisch geschehen. Wohl, weil ich auch wusste , dass Lydia mein einziger Ausweg aus dieser misslichen Lage war.
Erst wollte man mich nicht zu ihr durchstellen – klar, da könnte ja jeder anrufen und einfach Frau Diedwich verlangen. Erst als ich erklärte, dass sie schon seit Jahrzehnten eine Bekannte von Herrn Dr. Schwarz (meinem Vater) ist, wurde ich mit einem „Oh, ach so…einen Moment bitte“, in ihr Büro verbunden.
Lydia freute sich über meinen Anruf, war aber auch verwundert. Natürlich, was hätte ich sonst auch für einen Grund gehabt, sie zu kontaktieren. Nachdem ich ihr erklärt hatte, dass es wirklich wichtig und dringend war, ich aber am Telefon nicht darüber sprechen wollte, bat sie mich für morgen Vormittag um zehn Uhr zu sich ins Hotel.
Nach dem Telefonat fühlte ich mich schon etwas erleichtert. Vielleicht konnte Lydia mir wirklich helfen. Ich hatte sie zwar schon eine Weile nicht mehr gesehen, aber mein Vater stand seit über dreißig Jahren in regelmäßigen Kontakt zu ihr. Ich ließ mich aufs Bett fallen und schaltete mein Handy an. Kaum hatte es sich ins Handynetz eingewählt, blinkte und piepte es unaufhörlich. Meine Mailbox war voll und der Nachrichtenspeicher zeigte zehn neue SMS an. Ich begann damit, die Mailbox abzuhören. Schon bevor ich Annas Stimme hörte, wusste ich, was los war.
„Mila? Hier ist Anna. Wo bist du denn so schnell hin? Torben und ich wollten…“ Sofort hämmerte mein Zeigefinger auf die Löschtaste ein. Das wollte ich mir nicht weiter anhören!
Torben und ich wollten…bla…bla
– ja, was Torben wollte, dass wusste ich ja bereits!
Wutschnaubend löschte ich alle Nachrichten der Mailbox, auf die Anna mir wohl noch fünf Mal draufgequatscht hatte. Ich wollte nicht mit ihr reden. Insgeheim war ich auch ein bisschen sauer auf sie. Ich wollte sie davor schützen, einen großen Fehler zu begehen – das war mein größter Fehler! Anna war alt genug, um zu wissen, was sie da tat. Aber jetzt war es eh schon zu spät. Da fiel mir eine Nachricht von David ins Auge. Sein Name stach zwischen den vier SMS von Anna förmlich heraus. Eilig öffnete ich sie.
Hey Süße, wie war die Party? Hatte gehofft du meldest dich heute mal…Kuss D.
Ich stieß mir gegen die Stirn. Stimmt ja, ich hatte einen ganzen Tag verschlafen. Armer David, er hatte ja keine Ahnung, was mir widerfahren war. Ich würde es ihm auch nicht erzählen. Den gestrigen Abend wollte ich gedanklich in eine Kiste packen, sie mit einem riesigen
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