Bittersueße Wahrheit
würde er wohl darauf antworten?
Das Herz schlug Simon fast bis zum Hals. Er wusste nicht im Geringsten, was er hierauf erwidern sollte. Schließlich hatte er immer noch keine Ahnung, über was genau Stark mit ihr gesprochen hatte. Vielmehr versuchte er, Herr der Lage zu werden, was ihm aber augenscheinlich nicht gelang. Er fuhr sich unbewusst mit den Händen durch sein zerzaustes Haar und stieß einen kehligen Laut aus. Er war verzweifelt. Verzweifelt, weil er sie nicht verlieren wollte. Sollte er weiterhin an seiner Lüge festhalten?
Katelyn erkannte sofort an Simons gequältem Gesichtsausdruck, dass er mit seinem Gewissen rang. Deshalb ließ sie nicht locker und bohrte weiter. „Was war ich für dich, bevor du mich zu deiner Ehefrau gemacht hast?“ Sie hatte wohl bemerkt, dass er ihr nicht antworten wollte, weil er es nicht konnte. Aber genau diese Reaktion bestätigte all ihre schlimmen Befürchtungen. Er war ein Monster! Doch was spielte es noch für eine Rolle, dass sie jetzt ihre Bestätigung – wenn auch nur eine unausgesprochene – erhalten hatte? Sie hatte sich unsterblich und unwiderruflich in das Monster verliebt, und zwar bevor sie wusste, wie gefährlich er war. Die traurige Gewissheit darüber, nur seine Gefangene zu sein, jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Sie war verloren; auf immer und ewig. Was für eine Bedeutung hatte all das hier noch für sie? Ein starkes Gefühl der Hilflosigkeit überkam sie. Und ein einziger Gedanke schoss ihr durch den Kopf: Flucht! Sie wollte weg von hier. Fort von ihm! Einfach seine Lügen hinter sich lassen. Nichts mehr von all dem wissen. Doch wollte sie das wirklich? Wäre es denn nicht besser für alle Beteiligten, sie würde alles einfach wieder vergessen und so weiter machen wie bisher? Wäre es nicht leichter für sie, einfach in seine Hände zu fallen und so zu tun, als wäre er ihr Mann und nicht das Monster, von dem Stark und Rose gesprochen hatten? Sie könnte es doch einfach vergessen. Schließlich hatte sie es ja schon einmal getan. Und all die Anklagen von Rose und Stark waren doch nur Worte. Nichts von all dem hatte sie selbst erlebt, da ihre Erinnerungen daran einfach ausgelöscht waren. Konnte sie diese Worte denn nicht auch einfach wieder vergessen? Los, fall ihm endlich in seine Arme, anstatt hier nur dumm herumzustehen, schalt sie ihre innere Göttin, die dieses trostlose Trauerspiel nicht mehr länger ertrug. Wieso tat Katelyn ihnen beiden das nur an? Sie war doch glücklich mit ihm gewesen. Dabei kamen ihr die letzten Tage wieder in den Sinn. Sollte ihre innere Stimme am Ende nicht vielleicht doch recht behalten? Aber Katelyns kühler Verstand schaltete sich augenblicklich wieder ein und blendete ihre tiefen Gefühle, die sie für diesen Mann empfand, einfach aus. Unaufhaltsam trieb er sie vorwärts.
Simon stand immer noch reglos da. Wich immer noch nicht ihrem inzwischen eisigen Blick aus. Er fürchtete sich vor der Wahrheit, fühlte sich hinter seiner Lüge immer noch ein Stück weit in Sicherheit. Doch der Schein trog und sein ausgeklügeltes Kartenhaus fiel auf einmal in sich zusammen. Was sollte er nur tun? Er wollte sie unter keinen Umständen verlieren. War sich ihrer Liebe schon zu sicher gewesen. Zumindest schien es vor der Entführung so zu sein. Doch nun? Würde er sie jetzt verlieren, wenn er ihr die grausame Wahrheit eingestand? Einfach so? Er schwieg weiterhin.
„Bin ich deine Gefangene? Hast du mich deshalb zurückholen lassen?“ Diese Worte huschten kaum hörbar über ihre Lippen. Katelyn konnte selbst nicht glauben, was sie ihn soeben gefragt hatte. Fürchtete sich ebenfalls vor seiner Antwort. Würde er sie bejahen?
Simon schluckte. „Nein! Das bist du nicht!“ , krächzte er mit rauer Stimme. Er fühlte sich in die Enge getrieben. Wollte sich wehren, wehren gegen ihre Anschuldigungen, wollte sie schlagen, bestrafen mit seinem Gürtel, so wie er es in der Vergangenheit immer getan hatte, wenn sie ihn mit ihren kühlen Blicken provoziert beziehungsweise unaufhaltsam immer mehr in die Enge getrieben hatte, so dass er sich nicht anders zu helfen wusste, als ihr mit dem Rohrstock den richtigen Weg zu weisen. Der Drang, Katelyn endlich Einhalt zu gebieten, wurde übermächtig. Er wollte sie zum Schweigen bringen. Schließlich war er ihr Dom. Aber war sie noch seine Sub? Doch eine unsichtbare Hand hielt ihn zurück.
Katelyn, ebenfalls ringend mit ihrem Gewissen, stellte ihm nunmehr die alles entscheidende Frage.
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