Bittersweet Moon
muss nicht perfekt sein, ich möchte nur deine Opernstimme
hören", bat mich Robin mit seinem unwiderstehlichen Blick und seine warmen
Finger berührten dabei sanft meine Hand, die auf dem Tisch lag. Damit löste er ein
wohliges Erzittern in meinem Inneren aus, das ich nur mit Mühe vor ihm verbarg.
Wie konnte ich ihm nur diese Bitte abschlagen?
"Hast
du einen speziellen Wunsch?", fragte ich schließlich leise und bemühte mich
seinen Blick auszuhalten.
"Sing
was aus „La Boheme“, wenn es geht". Robin lächelte wieder bedeutungsvoll
und zog langsam seine Hand zurück, aber ich spürte weiter seine flüchtige
Berührung. Sie brannte wie heißes Wachs auf meiner Haut...Und es war
offensichtlich, dass er das bemerkt hatte...
"Na
klar, ich singe für dich die Arie der Mimi, als sie das erste mal Rodolfo
trifft. Sie erzählt ihm von ihren Träumen und Sehnsüchten und er verliebt sich
sofort in sie", sammelte ich mich irgendwie ihm mit knappen Worten den Inhalt
der bekannten Arie.
„Ich
kann's kaum erwarten“, erwiderte Robin lächelnd und lehnte sich lässig in
seinem Stuhl zurück. Mit einem Gefühl der Schwerelosigkeit begab ich mich zum
Flügel. Zwar kannte ich die Klavierbegleitung auswendig, aber ich wusste, dass
ich an manchen Stellen improvisieren musste. Es ist schwierig gleichzeitig zu
singen und zu spielen und ich wollte mich ganz auf meinen Gesang konzentrieren.
Tom schaute neugierig von seinem Tresen zu mir und ich zwinkerte ihm zu.
Merkwürdigerweise war ich völlig entspannt und ich freute mich für Robin zu singen,
frei von jeglicher Hemmung und Nervosität. Mein Leben fühlte sich an diesem spätem Abend
so vollkommen an! Die Nacht ist jung und die Märchenuhr wird noch lange
nicht Mitternacht schlagen. Der Ball fing erst an und ich spiele gerade die
Musik dazu. Ich hane meine gläsernen Schuhe an und tanze berauscht mit meinem
Prinz, bis mir vor Glück schwindlig wird... Robin hörte aufmerksam zu,
während ich sang. Immer wieder schaute ich ihn dabei an, als ob ich mich davon
überzeugen wollte, dass er noch immer da ist und er lächelte mich ermutigend
an. Bei dem dramatischen Höhepunkt der Arie füllte ich mit meinem leuchtenden
Sopran den ganzen Raum aus, obwohl die Akustik in der Bar durch den dicken
Teppichboden und die stoffbesetzten Stühle nicht die Beste war. In diesem
Augenblick fühlte ich mich eins mit Mimi, die gefangen in ihrer bescheidenen
kleinen Welt vor sich hin siechte, mit ihrer tödlichen Krankheit kämpfte und
sich nichts sehnlicheres wünschte, als einmal richtig ausbrechen zu können,
sich mit voller Leidenschaft in das Leben hineinwerfen und der traurigen
Realität wenigstens für einen Tag zu entfliehen. Meine Lebensgeschichte war
zwar nicht so aussichtslos wie ihre, aber an diesem Abend brach auch ich aus
meiner trauten Welt aus und machte einen atemberaubenden Sprung, wie eine
Trapezkünstlerin ohne Sicherheitsnetz unter ihr.
Als die
Arie endete, stand ich so schwungvoll vom Flügel auf, dass ich schwankte.
Erwartungsvoll blickte ich zur Robin. Er applaudierte mit Begeisterung und kam
langsam zu mir. Unsere Augen befanden sich auf fast gleicher Höhe, als ich noch
auf meinem kleinen Podest stand und Robin griff nach meiner Hand. Trunken vom
Glück errötete ich, als er sie mit einer zarten Lippenberührung küsste und mich
zurück zu dem Tisch führte.
"Deine
Stimme ist fantastisch! Und so stark!", geizte er dabei nicht mit seinem
Lob. "Es wird mir für immer ein Rätsel bleiben, wie ihr klassischen Sänger
solche lauten Spitzentöne produzieren könnt. Die Arie ist wirklich schön. Es
ist echt bedauernswert, dass ich bei der Premiere nicht dabei sein werde."
Bei
seinen letzten Worten durchdrang er mich wieder mit seinen stechend blauen
Augen. Mit leuchtendem Gesicht bedankte ich mich für seine Komplimente, die
mich noch mehr erstrahlen ließen, weil sie aus seinem verboten schönen und
verführerischen Mund kamen. Wir tranken unsere Gläser leer und Robin ließ mich
dabei nicht aus den Augen.
"Nein,
danke, ich habe schon zu viel getrunken", wehrte ich mich lachend und
bedeckte mit meiner Hand das Glas, als er mir noch mal einschenken wollte. Ich
versuchte einigermaßen nüchtern bleiben, ich fühlte mich schon berauscht genug
durch seine Anwesenheit und seine Aufmerksamkeit, die er mir den ganzen Abend
schenkte.
"In
Ordnung, verstehe", lächelte Robin auch und stellte die fast leere Flasche
ab.
"Was
machen wir jetzt? Ich will noch nicht ins Bett wie
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