Bittersweet Moon
Er machte es mir nicht gerade leicht. Wie sollte
ich ihm das in knappen Worten erklären, ohne mich dabei völlig bloßzustellen?
Oder ihnabzuschrecken? Robin nahm mich in dieser kürzesten Zeit
gründlich auseinander. Schon bei der ersten Begegnung brachte er mich dazu, mit
meiner musikalischen Darbietung alles von mir preiszugeben und genauso wie er
im Bett von mir absolute Hingabe verlangte, versuchte er erfolgreich noch in
meinen privatesten inneren Raum einzudringen. Er wollte mich offensichtlich
gänzlich haben, ohne Schonung und Vorbehalte! Mit einem leicht verzweifelten
Seufzer setzte ich mich auch gemütlicher hin und gab mir Mühe, mein Weltbild
mit wenigen Worten zu schildern: "Ich glaube nicht, dass man Gott in nur
eine einzige Religion reinpressen kann, egal ob Christentum, Islam oder
Judentum, oder egal welches andere religiöse System. Gott offenbart sich auf
verschiedene Art und Weise, oft kulturell-geographisch bedingt. Ich glaube auch
nicht, dass Gott nur ein Mann ist, er ist männlich und weiblich gleichzeitig,
also gibt es auch eine Göttin, die früher in allen vorchristlichen Religionen
verehrt wurde. Oder wie sie heute noch in Hinduismus und tibetischem Buddhismus
verehrt wird. Auch viele Neo-Kelten verehren verschiedene Aspekte der Großen
Göttin, das Interesse an diesem alten Wissen wächst stetig. Und ich glaube
nicht an einen strafenden, zornigen, ungerechten Gott, der uns verdammt und in
dieser Welt verrotten lässt, weil wir so sündig sind. Gott hat uns die Freiheit
gegeben zwischen Licht und Dunkelheit wählen zu können und damit bestimmen wir
selber unser Schicksal. Ich glaube auch daran, dass wir ewig sind und dass wir
in dieser Welt nicht richtig zu Hause sind, sondern nur zu Besuch und dass
unser wahres Zuhause in der spirituellen Welt ist. Unsere Körper sterben, nicht
aber unsere Seelen, wir inkarnieren uns immer wieder, um zu lernen, was wir
noch zu lernen oder zu erfahren haben." An dieser Stelle hörte ich auf und
wartete auf Robins Reaktion. "Soll ich noch weiter erzählen, oder reicht
es dir jetzt?" fragte ich zurückhaltend, als er mich nur schweigend ansah.
Ich wollte ihn ja nicht langweilen und er sollte auch nicht denken , dass
ich völlig durchgeknallt bin.
"Erzähl
ruhig weiter, ich will alles über dich wissen, auch über deinen Glauben, der
sagt viel über einen Menschen aus", ermunterte mich Robin und goss Cola in
unsere Gläser nach.
"Gut,
wenn du es wirklich hören willst", lächelte ich immer noch verunsichert
und fuhr fort: "Die institutionellen Religionen sind mir meistens zu
intolerant, dogmatisch und stark patriarchalisch, deswegen gehöre ich auch
keiner bestimmten Kirche oder Organisation an. Ich versuche den Gott und die
Göttin in meinem alltäglichen Leben zu erfahren, ich meditiere, ich mache
kleine Rituale, die mich spirituell erheben und inspirieren, ich praktiziere
seit einigen Jahren Yoga und ich habe Respekt für alle religiösen Menschen,
solange auch sie Respekt und Toleranz für Andersgläubige zeigen. Eigentlich
gibt es nur eine wahre Religion und das ist für mich die Liebe zu Gott, alles
andere ist mir unwichtig." Ich zeigte auf meinen kleinen Altar neben dem
Flügel : "Schau, das ist mein Altar. Da ist alles drauf, was für mich von
Essenz ist." Robin erhob sich gleich und ging zu dem Schubladenschrank. Er
schaute sich die Bilder und Figuren an, eine nach der anderen. Dort standen
Buddha, Maria, Radha und Krishna, Shiva und Parvati, Sita und Ram, Ganesh,
Durga, Laxmi, Sarasvati, die keltischen Göttinnen Rhiannon, Morrigan und Epona,
griechische Artemis und einige Bilder von Engeln und verschiedenen spirituellen
Meistern. Ich folgte ihm und erklärte ihm die einzelnen Gottheiten, die er
nicht kannte. Robin lächelte verblüfft:
"Wow,
was für eine Mischung! Und wer ist für dich der Wichtigste?"
Stirnrunzelnd
überlegte ich kurz. "Hm, schwer zu sagen. Das alles sind verschiedene
Aspekte des Göttlichen, das so vielfältig und unbeschränkt ist. Ich denke, die
Große Göttin, die so viele Namen trägt, ist mir am liebsten, ich fühle mich zu
dem weiblichen Prinzip des Göttlichen besonders hingezogen“, zeigte ich auf das
wunderschöne Bild der Göttin mit blauen Augen und einer Blumengirlande um den
Hals. "Das ist die kosmische Mutter, die kreative Kraft, die der Gott
benötigt, um zu schaffen. Man sagt, hinter jedem großen Mann steht eine noch
größere Frau. Es scheint in der spirituellen Welt genauso zu sein
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