Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bitterzart

Bitterzart

Titel: Bitterzart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabrielle Zevin
Vom Netzwerk:
zwei Riegel heraus, die ich durch den Spalt zwischen Tür und Rahmen schob. »Guten Appetit«, sagte ich und schloss die Tür.
    Ich hörte, dass Gable das Papier aufriss, noch ehe er in den Fahrstuhl stieg. Er war so abartig. Nicht zum ersten Mal kam mir der Gedanke, dass ein großer Teil meiner Attraktivität für Gable wohl in meinem Zugang zu Schokolade bestanden hatte.
    Ich hob die Kiste hoch und trug sie zum Safe in Nanas Zimmer. Als ich den letzten Riegel verstaut hatte, hörte ich, dass Nana den Namen meiner Mutter rief. »Christina!«
    Ich antwortete nicht. Wahrscheinlich hatte sie einen Albtraum.
    »Christina, komm her!«, sagte Nana.
    »Ich bin nicht Christina, Nana. Ich bin Annie, deine Enkelin.« Dass sie mich mit meiner Mutter verwechselte, kam in letzter Zeit häufiger vor. Ich ging zum Bett, und sie nahm meine Hand. Ihr Griff war ungewöhnlich kräftig. Mit der anderen Hand knipste ich das Licht an. »Siehst du, Nana, ich bin’s.«
    »Ja«, sagte sie. »Jetzt sehe ich, dass es nicht Christina ist.« Sie lachte. »Ich bin froh, dass du nicht Christina O’Hara bist. Ich konnte diese katholische Schlampe nie ausstehen, weißt du. Hab Leo gesagt, er sollte sie nicht heiraten, sie würde ihm nur Ärger machen. Schließlich war sie beim NYPD. Das ließ ihn schwach aussehen. Dummer, verliebter kleiner Junge. Er war eine große Enttäuschung für mich.«
    Ja, das alles hatte ich schon öfter gehört. Ich redete mir ein, es sei die Wirkung der Medikamente und der Krankheit, die da redete, nicht meine Großmutter.
    »Ich hoffe, dass du nie eine solche Enttäuschung erlebst, mein Mädchen«, fuhr sie fort. »Das ist … das ist …« Eine Träne rollte ihre Wange hinunter.
    »O Nana, bitte nicht weinen!« Auf der Fensterbank lag Imogens Roman. »Soll ich dir etwas vorlesen?«
    »Nein!«, rief sie. »Ich kann selbst lesen! Du dumme Kuh, wieso glaubst du, ich könnte nicht mehr lesen?« Sie entriss mir ihre Hand und schlug mir ins Gesicht, obwohl ich glaube, dass es keine Absicht war. Im ersten Moment konnte ich mich nicht rühren. Nicht dass es sehr weh getan hätte, aber trotzdem … Nana hatte mich noch nie geschlagen. Niemand in meiner Familie hatte das je getan. In der Schule hatte ich mich geprügelt, aber das hier war viel schlimmer.
    »Raus aus meinem Zimmer! Hast du nicht gehört? Ich will dich nicht mehr in meinem Zimmer sehen! Raus hier! Hau ab! «
    Ich machte das Licht aus und ging. »Gute Nacht, Nana«, flüsterte ich. »Ich hab dich lieb.«

VII.
    Ich werde beschuldigt und mache alles noch schlimmer
    Am Montagmorgen konnte ich es kaum erwarten, wieder zur Schule zu gehen. Verglichen mit dem Leben zu Hause, war Holy Trinity purer Urlaub.
    Beim Mittagessen hatte Scarlet einen Platz für mich freigehalten. Win war auch da – wir waren wohl die Einzigen, die er kannte. »Du bist bestimmt froh, dass du kein Haarnetz mehr tragen musst!«, rief Scarlet.
    »Nö«, sagte ich. »Ich hab mich langsam dran gewöhnt. Auch an den Küchendienst. Hab schon überlegt, ob ich zu Arsley gehe und ihm noch mal was über den Kopf gieße … Was steht denn heute auf der Speisekarte?« Ich schielte auf Wins Tablett. Das Essen bestand aus einem weißlichen Klecks, bräunlicher Soße mit groben Stücken und einem violetten Klecks daneben.
    »Thanksgiving-Essen im September«, erklärte Win. »Nicht gerade geeignet, um es über den Kopf von Exfreunden zu kippen.« Er probierte die weißliche Masse mit der Gabel. »Zu viel Stärke drin. Es bleibt am Tablett kleben, und er hat genug Zeit, um dir auszuweichen.«
    »Tja, wahrscheinlich hast du recht. Besser, ich ballere jemanden mit einer Zwille ab.« Ich schaute quer durch den Saal zu dem Platz, wo Gable normalerweise saß. Er war nicht da. »Ach, egal. Arsley ist eh nicht da.«
    »In der ersten Stunde hat er auch gefehlt«, berichtete Scarlet. »Vielleicht ist er krank?«
    »Schwänzt wohl eher«, sagte ich. »Gestern Abend hab ich ihn nämlich noch gesehen, und da ging es ihm gut.«
    »Ach ja?«, fragte Scarlet.
    »Nicht das, was du denkst. Er wollte –« Ich unterbrach mich. Da Wins Vater der inoffizielle Oberbulle war, kam es mir nicht besonders klug vor, in Wins Anwesenheit vom Geschäft meiner Familie zu sprechen.
    »Was wollte er?«, fragte Scarlet. Zusammen mit Win wartete sie darauf, dass ich den Satz beendete.
    »Tut mir leid«, sagte ich. »Ich hab nur gerade an etwas gedacht, das mit Nana passiert ist. Er wollte reden. Er wollte einfach nur reden.«
    »Reden?! Das

Weitere Kostenlose Bücher