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Bitterzart

Bitterzart

Titel: Bitterzart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabrielle Zevin
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ab und stellte sie direkt im Eingang wieder ab.
    »Angst, dass ich verhaftet werde?«
    »So herumzulaufen ist fahrlässig«, sagte ich.
    Jacks zuckte mit den Schultern.
    »Ich gebe die Schokolade an meine Großmutter weiter«, sagte ich in einem Tonfall, der ihm mitteilte, dass er entlassen war.
    »Willst du mich nicht hineinbitten?«
    »Nein«, sagte ich. »Leo schläft, Nana auch. Hier ist niemand, der dich sehen will, Jacks.«
    »Warum bist du so böse, Cousinchen? Ich dachte, seit dem Little Egypt kämen wir beide endlich besser miteinander aus.«
    Ich kniff die Augen zusammen. »Kamen wir. Aber dann bist du einfach verschwunden.«
    Er wollte wissen, was ich damit meinte.
    »Ich meine damit, dass du Leo praktisch im Stich gelassen hast!«
    »Im Stich gelassen? Stell dich doch nicht so kindisch an!« Jacks zuckte mit den Achseln, offenbar seine bevorzugte Geste. »Der Laden wurde geräumt. Alle mussten raus. Leo ist doch gut nach Hause gekommen, oder?«
    In dem Augenblick wurde mir klar, dass Jacks nichts von Leos Anfall wusste. Ich überlegte, ob ich es ihm sagen sollte: Würde er meinen Bruder dann in Ruhe lassen, oder würde ich damit einem Menschen eine Schwäche offenbaren, dem ich nicht unbedingt vertrauen konnte? Ich entschied, den Mund zu halten. »Ja, er ist nach Hause gekommen. Aber bestimmt nicht dank dir. Ich persönlich achte darauf, dass ich mit denselben Leuten gehe, mit denen ich auch gekommen bin.«
    Jacks schüttelte den Kopf. »Du bist viel zu gluckig.« Er sah mir in die Augen. »Aber ich versteh das schon. Das Leben hat dich dazu gemacht, stimmt’s, Cousinchen? Du und ich, wir sind beide das Ergebnis der Umstände.«
    »Danke für die Schokolade«, sagte ich.
    »Frisch vom Schiff. Richte Leo aus, dass er am Mittwoch im Pool gebraucht wird«, sagte Jacks.
    »Geht es auch nächste Woche? Leo hat sich irgendwie erkältet. Ich meine, damit sich nicht jeder in der Bratwa, unserem Clan, ansteckt.« Der letzte Satz war als Scherz gemeint. Das war ein Fehler. Ich alberte nie mit Jacks herum, deshalb machte es ihn misstrauisch. Daddy hatte immer gesagt, der Charakter einer Person in der Geschäftswelt müsse gleichbleibend sein, jede Veränderung des Tonfalls oder des Verhaltens sollte man sorgfältig beobachten. »Behalt dich unter Kontrolle«, sagte er oft. »Aussetzer werden von deinen Freunden durchaus registriert, von deinen Feinden erst recht.« Das Komische war, dass ich nicht die Hälfte davon verstanden hatte, als Daddy mir diese ganzen Sachen sagte. Ich hatte nur genickt oder erwidert: »Ja, Daddy.« Aber jetzt, da ich älter war, erinnerte ich mich ständig an seine Sprüche, viel öfter und einfacher als an sein Gesicht.
    Neugierig sah Jacks mich an. »Kein Problem, Annie. Du kannst Leo sagen, der nächste Montag ist in Ordnung.«
    Der zweite Gast tauchte um elf Uhr nachts auf, deutlich zu spät für einen Sonntag. Auch er meldete sich nicht vorher an.
    Ich erkannte Gable durch den Spion. Nach all dem, was nur eine Woche zuvor zwischen uns geschehen war, entschied ich mich, ihm die Tür nicht zu öffnen. »Hau ab!«, zischte ich.
    »Ach, komm, Annie!«, bettelte er. »Lass mich rein!«
    Ich vergewisserte mich, dass die Kette vorgelegt war, ehe ich die Tür einen Spaltbreit öffnete. »Nein. Das halte ich wirklich für keine gute Idee«, sagte ich. »Du musst dich auf den Heimweg machen, wenn du noch vor der Sperrstunde zu Hause sein willst.«
    »Hör zu, lass mich einfach rein. Ich komm mir blöd vor, hier rumzustehen«, sagte er und schob das Gesicht in den Türspalt. Er war so nah, dass ich den Kaffee in seinem Atem riechen konnte. »Keine Sorge«, fuhr er fort. »Ich bin dir nicht mehr böse. Du warst durcheinander, weil ich mit dir Schluss gemacht habe. Das kann ich total verstehen.«
    »So war das gar nicht!« Ich hatte den Eindruck, dass er nicht mal merken würde, wenn er log.
    »Die Einzelheiten sind doch jetzt egal, Annie. Ich bin nur vorbeigekommen, um dir zu sagen, dass wir Freunde bleiben können. Ich habe nichts gegen dich.«
    »Super«, sagte ich. »Dann geh jetzt.« Wie hatte ich diesen Loser nur so lange ausgehalten?
    »Wie wär’s mit einem Riegel Schokolade zum Abschied?«, fragte er.
    Ich schüttelte den Kopf. Das war es also, was er eigentlich mit »Freunde bleiben« meinte.
    »Komm, Annie. Ich geb dir auch Geld dafür.«
    »Ich bin nicht dein Dealer, Arsley.« Aus dem Augenwinkel heraus sah ich die große Kiste, die Jacks mitgebracht hatte. Ich riss sie auf und nahm

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