bK-Gruen, Sara
gemeint war. Sie kam offenbar zu dem Schluss, dass dem nicht
so war, und ging weiter.
«Sie
sehen toll aus!», trällerte Li. «Ich hätte
Sie fast nicht erkannt!»
Als
Amanda klarwurde, dass Li tatsächlich mit ihr sprach, entgleisten ihr die
Gesichtszüge. Sie sagte «Danke» und ging steif an ihren Tisch zurück. Als sie
sich gesetzt hatte, beugte sie sich zu John vor, ihre Augen blickten gekränkt.
«Ich muss wohl annehmen, dass sie es als Kompliment gemeint hat, aber es ist
schwierig, das so aufzufassen.»
«Es kam
nicht gut rüber», sagte John, «aber sie hat es bestimmt ...»
«O
Gooooott!», sagte Li, die direkt neben ihnen auftauchte. «Ich kann's immer
noch nicht fassen!» Sie klatschte entzückt in die Hände und rutschte neben
Amanda auf die Bank. Sie drohte John mit dem Finger. «Sie müssen heute Abend
gut aufpassen, weil alle Männer auf Ihre schöne Frau gucken werden!» Zu Amanda
sagte sie: «Wir haben ein chinesisches Sprichwort: Es gibt keine hässlichen
Frauen, nur nachlässige Frauen. Und wo ich Sie jetzt sehe, glaub ich es
absolut! Schauen Sie sich bloß an! Das Make-up! Die Frisur! Und so chic
angezogen!»
John sah
bestürzt von seiner Frau zu Li. Sein gemartertes Hirn versuchte zu ergründen,
warum die Kellnerin in ihrem japanischen Lieblingsrestaurant chinesische
Sprichwörter zitierte und wie um alles in der Welt er Amanda am Ende wieder
hinbiegen sollte.
Amanda
musterte angestrengt ihre Essstäbchen. «Ich hab mir die Haare schneiden
lassen.»
«Und glätten!»
Li befühlte Amandas Haare, ließ sie durch ihre Finger gleiten. «Und Sie sind
geschminkt! Sie müssen das immer so machen, jetzt, wo er weiß, wie Sie aussehen
können ...»
«Li!»,
brüllte der Geschäftsführer hinter der Bar. Er wies auf Gäste, die eben hereingekommen
waren.
Li rief
ihm zu: «Guck dir Amanda an! Guck mal, wie gut sie aussieht! Ist das zu
glauben?»
«Li!»,
brüllte er wieder.
«Ich
muss. Bis dann!» Li beugte sich hinüber, drückte Amandas Schulter und
entschwebte.
Amanda
blickte eine ganze Weile nicht auf. «Schön», sagte sie schließlich. «Schön.»
Sie nickte hastig. Nahm ihre Serviette vom Tisch, breitete sie auf dem Schoß
aus, alles, ohne John in die Augen zu sehen. «Gut zu wissen. Ich bin nicht
hässlich. Nur nachlässig.»
***
Celia
rückte mit Rucksack und Matchbeutel an.
«Ich
krieg die Krise. Wie du aussiehst», sagte sie, als sie vor Isabel stand. Dann
drehte sie sich um und warf ihr Gepäck auf den Boden. Sie kramte darin herum,
holte Schuhe, wattierte Unterbekleidung und Plastikbeutel mit Toilettenartikeln
hervor, und bald lagen ihre Sachen rings um sie auf dem ganzen Teppich
verstreut. Auf dem Stück Rücken, das aus ihrer Cargohose hervorschaute, war
ein Tattoo mit asiatischen Schriftzeichen zu sehen, das auf dem Rückgrat nach
oben verlief und unter dem Hemd verschwand. «Ich dachte schon, du sprichst
nicht mehr mit mir. Im Krankenhaus haben sie mich nicht zu dir gelassen.»
«Das lag
nicht an mir», sagte Isabel. «Ich glaube, es war, weil sie dich verhaftet
hatten.» Sie beobachtete Celia genau, spürte nagende Zweifel aufkeimen. Hatte
sie sich womöglich ein ELL-Mitglied ins Haus geholt?
«Nicht
richtig verhaftet - bloß Untersuchungshaft. Und was sollte der Scheiß? Auch ich
hätte tot sein können. Nicht, dass jemand getötet wurde, aber du weißt schon, was
ich meine. Ich war dort, kurz bevor es passiert ist. Nein, mein eigentliches
Verbrechen besteht anscheinend darin, dass ich Vegetarierin bin und
ehrenamtlich in einem Tierheim arbeite. Mein Gott, die haben Leute eingesperrt,
bloß weil sie Mitglied der Humane Society sind. Hey, du bist doch auch Vegetarierin.
Warum haben sie dich nicht verhaftet?» Sie ging zum Aquarium und linste hinein.
Rümpfte die Nase und trat zurück. «Igitt. Was ist denn hier passiert?»
«Frag
nicht.»
Celia
ging in die Küche, holte einen Teelöffel und fischte damit den toten Stuart
heraus. Sie legte eine Hand um den Löffel und sagte «nicht hingucken», als sie
auf dem Weg ins Badezimmer an Isabel vorbeiging. Kurz darauf wurde die
Toilettenspülung betätigt.
Isabel
hätte fast gelacht. Celia war so durchschaubar, dass sie gar nicht fähig
schien, mörderische Absichten oder sonst etwas zu verbergen.
Immer
mehr Inhalt aus Celias Gepäck verteilte sich auf dem Fußboden, und in kürzester
Zeit hatte sie das Wohnzimmer komplett in Beschlag genommen. Vermutlich hatte
sie irgendwo ein Apartment oder ein WG-Zimmer, aber
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