BKA - Die Jaeger des Boesen
setzt, mal wieder folgend den Erfolgsmodellen aus der legalen Wirtschaft, müssen die Jäger umdenken. Joint Investigation Teams braucht man nicht nur vor Ort, solche Teams sitzen auch in Den Haag zusammen, um sich strategisch auf die geänderte Lage einzustellen. Der Handel mit Waffen, die aus den ehemaligen GUS-Staaten stammen oder vom Balkan, ist wie Menschenschmuggel ein florierendes Geschäft. Die Produzenten von Falschgeld wiederum betreiben in ihren Unternehmungen auch Handel mit Kinderpornografie im Internet, und alle OK-Gruppierungen erzielen nach wie vor die höchsten Renditen im Rauschgifthandel. Und weil die Gewinnmargen da so riesig sind, werden Beschlagnahmungen nach Razzien der Polizei als normales Geschäftsrisiko betrachtet. Eine konfiszierte Ladung Rauschgift verschmerzen die OK-Banden leicht, weil der Einkaufspreis nur ein Bruchteil dessen ist, was sie später auf dem Markt erzielt hätten – und mit nicht konfiszierten Liefermengen erzielen werden.
Wie schnell kriminelle Profis auf veränderte Bedingungen in Europa reagieren, schildert mir Paulo Borges von der Counterfeit Unit, dem Referat Falschgeld. Bereits drei Monate nach der Einführung der europäischen Einheitswährung tauchten im März 2002 die ersten Euro-Blüten auf. Als noch jedes Land seine eigene Währung besaß – manche eine schwächere, manche eine stärkere –, kümmerten sich die nationalen Polizeibehörden um die Produzenten der Blüten. Jetzt war EUROPOL gefordert. Vertreten durch Polizeioffizier Paulo Borges aus Lissabon.
Einen Besseren hätte man kaum finden können. Er kann, was
er mir beiläufig erzählt, weil er dieses Talent offenbar für selbstverständlich hält, oft schon nach einer Schilderung am Telefon – wie fühlt sich das Papier des Geldscheins an? wie sieht das Wasserzeichen aus? – und einem Vergleich mit seiner Datenbank genau sagen, in welchem Land sich die Fälscherwerkstatt befindet, welche europäische Bande dahintersteckt, wie die Verteilung der Blüten organisiert ist. Borges: »Bei rund fünfundneunzig Prozent der Blüten kann ich identifizieren, woher sie kommen. Und ich kann den Kollegen, bei denen die Blüten zuerst auftauchten, Arbeit ersparen, wenn ich ihnen sage: Sucht nicht lange nach den Fälscherwerkstätten, denn die stehen in der Ukraine, konzentriert euch in eurem Land auf die Verteiler.«
Oder er warnt schon mal die Verbindungsbeamten aus Italien, dass drei Wagenladungen mit Falschgeld aus Osteuropa unterwegs sind, und instruiert sie, worauf sie achten sollen bei der Fahndung. Die geschicktesten Fälscher arbeiten, wie er weiß, in Litauen und in Bulgarien. Insgesamt geht es, Tendenz steigend, um rund siebzehn Millionen gefälschte Euroscheine pro Jahr. Gefälscht werden lieber die Hunderter und Zweihunderter, seltener die Fünfer und die Zehner. »Die nationalen Polizeibehörden können nur einen kleinen Ausschnitt sehen, zum Beispiel wenn Falschgeld eingesetzt wird bei Hotelrechnungen, bei Wareneinkäufen, beim Tanken oder beim Geldwechsel in Ländern, in denen eine andere Währung gilt, English Pounds oder US-Dollars. Wir in Den Haag haben naturgemäß das ganze Bild vor Augen.«
Mit Erfolg: In Irland gelang es im Juni 2010 in einer Joint Operation von EUROPOL und der Garda – wie die Polizei dort heißt – eine Fälscherwerkstatt auszuheben, ihre Betreiber zu verhaften. Mit den Maschinen und beschlagnahmten Zutaten – Papier, Tinte, Gravurstöcke, Computer – hatte der Underground-Betrieb ein Potenzial von zweihundert Millionen Euro-Blüten. Die Verbindungen der Betrüger nach England, nach Deutschland und nach Übersee wurden gekappt. Übersee? Borges nickt, klar, je weiter die Länder entfernt sind von der Euro-Zone, das gilt auch für Südamerika, desto schwerer ist es für Banken und Geschäftsleute
dort, Falschgeld von echtem Geld zu unterscheiden. Klar? Klar.
In Polen ist nach dreijährigen Ermittlungen mithilfe der Analysten von EUROPOL und polnischer Polizisten vor Ort eine Bande zerschlagen worden, die das produzierte Falschgeld über Europa verteilte, ihre achtzig Mitglieder sitzen im Knast. Sechzehn Fälscher erwischte es in Spanien, auch hier durch die Hinweise von EUROPOL. Die Verhafteten dort hatten sogar so viel Material und so gute Druckmaschinen, dass sie bis zu sechshundert Millionen Euro-Blüten hätten produzieren können. Und im fernen Kolumbien gelang es mit Unterstützung des U. S. Secret Service, der kolumbianischen Polizei und einiger entsandter
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