BKA - Die Jaeger des Boesen
im Gehirn des Menschen. Da leuchtet zwar bei einer Idee nichts auf, und es macht auch keine Synapse laut »Pling« wie bei der Übereinstimmung von Daten, einem Treffer im Netz, aber ohne Hypothesen, die sie zuvor aufgestellt hat, kann sie noch so oft den Computer hochfahren – sie wird dennoch nie erfahren, was sie wissen will. Für die Analysen, die ihr täglich Brot sind, braucht sie also Fantasie, doch ohne GIS wiederum würde ihr auch die nichts nützen. Was zum Teufel ist GIS?
GIS ist die Abkürzung für »Geografische Informationssysteme«. Damit arbeiten alle Crime Mapper. Sie umfassen eine geografische Standardsoftware, die jedoch je nach kriminaltechnischen Anforderungen mit unterschiedlichen Tools ausgestattet ist. »Tools«, Werkzeuge bzw. Dienstprogramme, werden in der
Computerwelt die virtuellen Hämmer und Feilen und Sägen und Schrauben und mitunter türbrechenden Äxte genannt. So sammeln sie Informationen, aus denen dann durch Analyse Wissen erwächst. Klingt komplizierter, als es für die Profis tatsächlich ist, denn es bedeutet mehr oder weniger nur, dass GIS als Verbindung von Geografie und gespeicherten Daten für die Bekämpfung der modernen Kriminalität so unverzichtbar ist wie Fingerabdrücke oder DNA oder Biometrik.
Das Prinzip GIS ist benutzbar für die Spurenanalyse bei allen möglichen Delikten. Nur mit GIS lässt sich zum Beispiel lückenlos nachweisen, wann und wo mit einem Handy telefoniert wurde und ob ein bestimmtes zeitlich und räumlich aktiviert worden war, als kurz darauf irgendwo in Chelsea oder in Notting Hill ein Einbruch stattfand. Es wird immer noch die Aufgabe der Ermittler sein, deren Besitzern nachzuweisen, dass dies kein Zufall war. Aber sie haben mit den Daten von GIS eine ziemlich überzeugende Waffe in der Hand, ein Tool, das, bei Verhören eingesetzt, seine Wirkung nicht verfehlt.
Mit GIS können Informationen verwendet werden, die für Landkarten und Stadtpläne frei zur Verfügung stehen oder auch bei Google Maps digital abrufbar sind. Das ist einfache Geografie. Aber mit dem System, dessen Software von Spezialfirmen entwickelt und verbessert wird, lassen sich zusätzlich Informationen über Objekte, über Personen, über Stromverbrauch, über den Einsatz von Kreditkarten, über Reiserouten aus Datenbanken, aus dem Material der Videoüberwachung, aus Satellitenfotos oder von der Spurensicherung holen und zu einem kriminalgeografischen Gesamtbild vereinen. Die eigentliche Kunst eines Crime Mappers besteht darin, alle denkbaren Verbindungen durchzuspielen und zu testen, um auf den möglicherweise entscheidenden Punkt zu stoßen. Ohne die Möglichkeiten, die ein schneller Rechner bietet, wäre das nichts weiter als eine feine Theorie. Doch mithilfe des entsprechend programmierten Computers wird es zur hilfreichen Praxis.
Auch deshalb ist Christine Leist – was sie selbstverständlich
von sich weisen würde – mit ihren Fähigkeiten oder Befähigungen einzigartig. Alle Crime Mapper können im Prinzip, was sie kann, und sie kann im Prinzip, was die können. Sie jedoch beherrscht zusätzlich zum reinen Handwerk die Kunst, basierend auf der Software GIS, tiefer zu bohren, eine tiefengeografische Analyse von Tatorten und Taten und Tätern vorzunehmen. Die korrekte Bezeichnung für das, was sie tut, lautet deshalb Geoprofiling, und dementsprechend ist ihr Beruf der einer Geoprofilerin.
Zweite Voraussetzung für die wissenschaftliche Spurenanalyse der Met-Spezialisten ist eine Anweisung des britischen Innenministeriums, des Home Office, an alle Polizeidienststellen, wonach bei jeder geringfügigen Straftat, und sei es nur eine Schlägerei unter Betrunkenen, die Beamten am Tatort Fingerabdrücke und fürs DNA — Register Speichelproben nehmen müssen. Häufig werden in London sogar Abdrücke von Schuhsohlen gescannt, denn mit denen lässt sich heutzutage mehr anfangen, als sich das einst die Ermittler in ihrer Polizeihochschulweisheit träumen ließen. Bei Footwear Intelligence wird unter den so gespeicherten Tatortspuren zum Beispiel dann kriminaltechnisch nachgeforscht – GIS macht das auf Befehl! –, wo dieser Typ von Schuh, am liebsten ein seltener wie der Reebook 5534 oder der Nike 62, bereits an anderen Tatorten aufgetaucht ist, und dann in den Datenbanken nachgeschaut, wer von der Stammkundschaft mit genau dem schon einmal herumgelaufen ist.
Die nationalen Datenbanken werden im Home Office, verwaltet, die in London angefallenen Daten von der Metropolitan
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