BKA - Die Jaeger des Boesen
Bundeskriminalamtes kommen sie nicht aus dem Polizeidienst, sondern aus der akademischen Welt, sind im besten intellektuellen Sinne dienstbare gute Geister. Sie stellen ihre Dienste – Kopfgeburten, Laborergebnisse, Analysen – den Fahndern zur Verfügung und geben denen für die Suche nach Tätern nützliche Hinweise mit auf den Weg.
Die Ahnen der MPS — Teams, die klassischen Ermittler von Scotland Yard, hatten – außer mitunter Arthur Conan Doyle, den literarischen Schöpfer des forensisch geschulten Sherlock Holmes – keine wissenschaftlichen Hilfskräfte zur Verfügung bei ihrer Manhunt . Die Methoden der zeitgenössischen Verbrecher waren allerdings nicht vergleichbar mit denen heutiger Krimineller, also herrschten damals gleiche Bedingungen auf beiden Seiten. Im 21. Jahrhundert wäre Verbrecherjagd für die Londoner Detektive ohne die unterstützende Arbeit der verschiedenen Forensic Intelligence Units kaum noch vorstellbar, sie hätten es ungleich schwerer, Straftaten aufzuklären, Straftäter zu finden und vor allem
genügend handfeste Indizien gegen sie vor Gericht zu präsentieren.
Seit auch auf deutschen Fernsehkanälen TV-Serien aus den USA oder England ausgestrahlt werden, in denen Ermittlungen mittels Datenabfrage per Computer, chemischer und physikalischer Analysen in hochgerüsteten Labors oder Vergleichen des Drecks unter den Schuhsohlen eines Verdächtigen mit der untersuchten Erde am Tatort zum Erfolg führen, weiß das jeder interessierte Laie. So gesehen also nichts Neues. Nur das Spezifische, Besondere ist interessant.
Womit ich wieder bei der Kriminalgeografin Christine Leist aus der Forensic Intelligence Unit bin und damit bei den kriminaltechnischen Spurenanalytikern der englischen Kriminalpolizei. Ihr Job in der Gruppe dieser speziellen Einheit ist das Crime Mapping. Das ist zwar das erlernte Handwerk aller in England tätigen rund vierhundert Crime Mapper, aber die Deutsche kann noch mehr, als von Fall zu Fall ein Lagebild des Verbrechens zu erstellen. Mit dem Begriff »Lagebild« wird das weite Feld der Tätigkeit von Kriminalgeografen definiert – die kriminologische Technik, auf einem Stadtplan oder einer Landkarte mittels geografischer Informationen von raum-zeitlichen Koordinaten Tatorte und Täter zu verknüpfen und mögliche Parallelen zu interpretieren. Zum Beispiel können Crime Mapper vielleicht eine Serie von Taten identifizieren, die den draußen vor Ort tätigen Spurensuchern, den operativen Ermittlern, gar nicht auffallen würden. Wie das konkret abläuft, wird mir Christine Leist anhand von Beispielen noch selbst erklären, aber die Technik an sich beherrschen alle, die zur Forensic Intelligence von Scotland Yard gehören. Womit sich andere Kollegen aus der Abteilung Met Intelligence beschäftigen, lässt sich augenfällig leichter feststellen oder wenigstens vermuten, etwa wenn ausgestopfte Tiere die Schreibtische der Wildlife Crime Unit umstellen.
Die konkreten Tätigkeiten von Christine Leist dagegen fallen nicht gleich ins Auge. Eher sie selbst. Schlank, groß, schwarzhaarig, mit Lachfältchen, geschminkt, beringt, in Jeans und Boots sitzt
sie vor dem Bildschirm ihres Computers hinten links am Fenster. Das alles sagt noch nichts darüber aus, woher sie kommt. Meine Beschreibung könnte ebenso gut passen auf eine junge Engländerin. Mode ist so international wie das Verbrechen. Drei Spuren auf der Ablage des Schreibtisches aber würden einen aufmerksamen Ermittler darauf hinweisen, dass diese Crime Mapperin wahrscheinlich nicht wie andere in der Forensic Unit zu den geborenen Untertanen Ihrer Majestät, der Königin des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland, liebevoll auch schlicht Queen genannt, gehören dürfte.
Auf jener Ablage am Fenster liegt eine grünweiße Schirmmütze, wie sie Schutzpolizisten in Deutschland tragen, da liegt eine weiche blaue Baseballcap, auf der das deutsche Wort »Polizei« steht, da stecken zwei fette schwarzrotgold-farbene Schreibgeräte in einem vasenähnlichen Becher. Immerhin also ein paar Indizien, mit denen sich weitere Ermittlungen anstellen ließen. So etwa würde ein Kriminalbeamter vorgehen, falls dies ein Tatort wäre, den er auf Spuren untersucht.
Tatsächlich ist es der Ort, an dem Christine Leist arbeitet. Sichtbar an den Veränderungen auf ihrem Bildschirm. Doch was man nicht sieht, ist die eigentliche Arbeit davor, sind die Kopfgeburten. Selbst die beste technische Software ersetzt nicht die
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