BKA - Die Jaeger des Boesen
Experten von EUROPOL vor Ort, Falschgeld im Wert von sechs Millionen Euro zu konfiszieren.
Dass ein Verbindungsbeamter aus Litauen in Borges’ Abteilung sitzt, ist kein Zufall. Der kann noch schneller erfassen, was der portugiesische Experte nicht sofort erkennt: typische Merkmale von Landsleuten. Und ein anderer, zum Beispiel einer aus Zypern, weiß sogar, in welcher Stadt auf der Insel Aphrodites sich eine Fälscherwerkstatt befindet. Das sei, sagt Borges, die Philosophie von EUROPOL: Gemeinsam wissen wir mehr.
Ob ich die Geschichte von den drei Blinden im Wald kennen würde? Nein, kenne ich nicht.
Also, sagt Paulo Borges, beugt sich vor, die geht so: Der erste Blinde tastet einen Schwanz ab und meint, was er gefühlt habe, sei ein Seil. Der zweite tastet einen Fuß ab und meint, was er gefühlt habe, sei ein Baumstamm. Der dritte tastet einen Rüssel ab und meint, was er gefühlt habe, sei ein Rohr. Sie diskutieren ihre Erkenntnisse, analysieren und vergleichen sie, bis sie endlich auf die Idee kommen: Sie stehen vor einem Elefanten. Jeder für sich hätte die Sinneseindrücke fehlgedeutet. Erst der Austausch aller Informationen brachte sie auf die richtige Lösung. Der von Max-Peter Ratzel formulierte kriminalistische Dreisatz würde auf den Fall der drei Blinden angewandt bedeuten: need to know , was sie tastend glauben gefunden zu haben, darauf need to share, der Austausch
aller Informationen, und als Kür schließlich dare to share . Erkenntnis!
Diesen »Ratzel’schen Dreisatz«, den mir Paulo Borges so wunderbar plastisch mit Leben erfüllt hat, haben englische Kriminalpolizisten in einer Umfrage als den entscheidenden Gewinn bezeichnet, den sie dank EUROPOL hätten. Das will ich genauer wissen. Ich fliege nach London zu Scotland Yard.
KAPITEL 9
Die Deutsche von Scotland Yard
D en Weg in ein Großraumbüro von Scotland Yard hat sich Christine Leist mit dem Orientierungssinn einer Geografin und dem Spürsinn einer Zielfahnderin geebnet. Zum einen vertraute sie ihrem Kopf, zum anderen ihrem Bauch. Das eine hatte sie studiert, das andere begehrt. Geografen vermessen die Erdoberfläche und suchen darunter Schicht für Schicht auch nach verborgenen Spuren. Insofern brachte sie die besten Voraussetzungen mit für ihren heutigen Beruf. Vorübergehend musste sie sich zwar auch auf Nebenpfaden bewegen, aber danach fand sie immer wieder auf ihre eigentliche Route zurück. Das Ziel verlor sie dabei nie aus dem Sinn. Sobald es in ihrem Blickfeld auftauchte, hielt sie darauf zu.
Ihr Traumberuf hieß Crime Mapperin, Kriminalgeografin. Diese Verbindung von akademischem Wissen und instinktiver Begabung lag einerseits nahe, andererseits fern. Nahe, weil Christiane Leist nach einem abgeschlossenen Studium der Geografie und dank profunder Kenntnisse aller Möglichkeiten elektronischer Datenanalyse die besten Voraussetzungen für einen derartigen Job mitbrachte. Fern, weil es für ein solches Arbeitsfeld, ein solches Berufsbild in Deutschland noch gar keine allgemein verbindliche inhaltliche Definition gab, geschweige denn entsprechende Planstellen. War ihr Berufsziel allein schon ein schier unerreichbarer Traum für eine junge Frau aus der schwäbischen Provinz, musste es bei ihr unbedingt noch die berühmteste Polizeibehörde der Welt sein, in der sie sich ihren Traum erfüllen wollte.
Beides hat sie geschafft. Christine Leist gehört seit nunmehr
fünf Jahren zur legendären Metropolitan Police in London, die auf der ganzen Welt noch immer ehrfürchtig Scotland Yard genannt wird. Der Name wurde geboren, weil sich das Polizeihauptquartier früher am Whitehall Place und ein Hintereingang an der Straße Great Scotland Yard befand. Diese wiederum soll ihren Namen einem Gebäudekomplex verdanken, in dem die Abgesandten und der König Schottlands bei ihren offiziellen Visiten am englischen Hof abstiegen. Der Tradition verpflichtet, residiert die heutige Zentrale der Metropolitan Police Services (MPS) am New Scotland Yard in Westminster, jenem Stadtteil der englischen Metropole, der Taschendiebe magisch anzieht. Nirgendwo sonst in London bevölkern so viele potenzielle Opfer, Touristen aus aller Welt, die Straßen.
Bei MPS, manchmal auch abgeleitet von Metropolitan nur als Met abgekürzt, arbeiten 48 000 Staatsdiener, unter ihnen 33 000 Kriminalbeamte, 14 000 Verwaltungsangestellte und Hunderte von Spezialisten aus vielen wissenschaftlichen Bereichen. Wie ihre deutschen Pendants in der Abteilung Kriminaltechnik des
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