BKA - Die Jaeger des Boesen
sollen? Deshalb flog sie an jenem Märztag des Jahres 2003 nicht über den Großen Teich in die amerikanische Hauptstadt, sondern nur über den Kanal in die britische.
Die Metropolitan Police Services, zu denen die Forensic Unit gehört, werden zwar noch immer Scotland Yard genannt, weil das nun mal weltweit verstanden wird als Synonym für kriminalistische Kompetenz und Effizienz. Das heutige Hauptquartier der MPS, zuständig für Greater London mit Ausnahme des kleinsten Stadtteils City of London, der eine eigene kleine Polizeibehörde unterhält, wurde erbaut am New Scotland Yard, weshalb der traditionelle Name zu Recht weiterlebt. Einzelne Abteilungen sind in andere Gebäude, andere Straßen, andere Borroughs umgezogen, zum Beispiel in den Stadtteil Vauxhall, wo sich auch der Geheimdienst MI 5 in einer riesigen Neubau-Festung niedergelassen hat. An ihr komme ich vorbei auf meinem Weg zur Forensic Intelligence Unit.
Direkt neben einem streng bewachten, elektronisch gesicherten Tor von MI 5 kriechen die gelben Amphibienbusse der touristischen Attraktion London Duck Tour nach ihrer Fahrt auf der Themse wieder an Land. Dass dies den Geheimdienstlern nicht passte, ist irgendwie verständlich. Sie hatten jedoch keine Chance gegen den hochadligen Besitzer des entsprechenden Stückchens Land, der sich not amused zeigte, als ihm die Behörde mit Enteignung drohte, und daraufhin stur auf seinem jahrhundertealten Recht bestand. Inzwischen herrscht friedliche Koexistenz. Die Fahrer der gelben Ducks freuen sich, ihren Kunden eine weitere Attraktion außer Buckingham Palace, Tower, Westminster Abbey und Themse zeigen zu können – die Zentrale des legendären britischen Secret Service, dessen berühmtesten Agenten 007 alias James Bond alle Touristen kennen.
In der Nähe, schräg gegenüber von einem italienischen Coffeeshop, dessen Besitzer Christine Leist später mit »Hello darling, how are you?« begrüßen wird, ist in einem mehrstöckigen Gebäude auch die Forensic Unit untergebracht. Jenseits des Innenhofs, auf dem sich je nach Stärke der Sucht stündlich oder nur mittags unter freiem Himmel die neuen Outlaws sammeln, die Raucher, sind alle Fenster dunkel. Dahinter trifft sich bei akuten Anlässen wie zum Beispiel einem Fall von Kidnapping oder bei einer Geiselnahme der Krisenstab der Met.
Die deutsche Crime Mapperin kennt sich nicht nur aus mit speziellen Tools des GIS, die sie bei ihren Analysen einsetzt, sie hat auch die speziellen Eigenheiten der MPS auf ihrer Festplatte namens Hirn abgespeichert. In der Behörde wird, wie überall auf der Welt in ähnlichen Einrichtungen, streng darauf geachtet, dass keiner die Hoheitsgebiete des anderen verletzt. Die heißen zum Beispiel Territorial Policing oder Special Crime Directory , was so viel bedeutet wie eine polizeiliche Gebietsaufteilung von Tatorten oder eine spezielle Datei von Verbrechen. Da es ihr um die Sache geht, nimmt sie auch dann Rücksicht auf sture Cops, wenn es leichtfallen würde, sie als rückständig vorzuführen, sie bloßzustellen und sie ihre analytische Überlegenheit spüren zu lassen. Höflich spricht sie von ihnen als den Kunden, die sie mit ihren Arbeiten überzeugen müsse, denn was würde es jener gerechten Sache nützen, wenn sie zwar ihre wissenschaftlichen Fähigkeiten demonstriert anhand vieler digitaler Charts und sich in der Bewunderung ihrer unmittelbaren Kollegen sonnt, aber die Detektive damit nichts anfangen können in ihrer praktischen Arbeit! Ähnlich denken ja auch die Vor- und Nachdenker des Kriminalistischen Instituts beim Bundeskriminalamt.
Die Polizeieinheiten der zweiunddreißig Borroughs von London haben mit der Forensic Unit der Met nichts gemein, viele mit ihr auch nichts im Sinn. Sie müssen die Unit bei Fällen innerhalb ihrer Verwaltungshoheit weder kontaktieren noch ernst nehmen. Einige haben sogar hauseigene Crime Mapper. Sie sollten aber lieber doch kooperieren. Erstens würden sie sonst Ärger
mit ihren Vorgesetzten im Innenministerium bekommen. Zweitens wären sie schön blöd, was die meisten nicht sind, denn selbst die stursten Chief Inspectors haben begriffen, dass sich Kriminelle nicht an ihre Bezirksgrenzen halten, sondern über deren Grenzen hinaus aktiv sind. In den Borroughs, die alle eine eigene Polizeieinheit beschäftigen, war es früher so ähnlich wie in Deutschland. Einzelkämpfer prägten das Bild. Polizisten in den Revieren vor Ort betrachteten die Wissenschaftler mit ihren Analysen schon
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