Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
BKA - Die Jaeger des Boesen

BKA - Die Jaeger des Boesen

Titel: BKA - Die Jaeger des Boesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Juergs
Vom Netzwerk:
bestimmten relevanten Räumen setzte er seine Leute ein, denn die Grundlagen der Kriminalistik beruhen auf »Ermittlungen und Untersuchungen der Beziehungen zwischen Raum und Kriminalität«. Das könnte mir ebenso gut Christine Leist mehr als dreißig Jahre später in London gesagt haben.
    Herold verstand darunter die »Beziehungen, die sich zwischen der Kriminalität einerseits und Klima, Boden, Landschaft, Geschichte, Wirtschaftsgeschehen und Bevölkerungsbewegungen andererseits ergeben«, sowohl in den Vierteln der besseren Kreise als auch in denen der nicht so gut Gestellten. Gekennzeichnet jeweils mit den üblichen Stecknadeln auf Karten, denn nur so konnten damals auf einem Stadtplan Tatorte dargestellt werden. Allenfalls ließen sich noch Linien ziehen zwischen den einzelnen Punkten, um mögliche Querverbindungen zu erkennen, die sich nach Lektüre der Akten auf den ersten Blick nicht ergeben hatten. Doch das war es dann auch schon, mehr ging damals nicht.
    Bis der Kollege Computer zum Dienst antrat und sich mit ihm die Möglichkeit ergab, nicht nur Punkte und Linien darzustellen, sondern auch wegzukommen von den Plänen an der Wand, Schichten hinter dem Sichtbaren freizulegen, in die dritte Dimension zu klicken, Bewegungen aufzuzeigen. Dabei waren nicht
wie bisher Täter oder Tätergruppen allein ausschlaggebend, sondern der »Raum und seine Merkmale, in denen er sich von anderen Räumen unterscheidet«, wie Herold es formulierte, in seinem Beispiel die Stadtmitte von Nürnberg und ein stiller Vorort. Was mit dieser Methode nicht erforschbar war, nahm er aus den Hochrechnungen raus, also Urkundenfälschung, Ladendiebstahl, Notzucht in Privatwohnungen. Doch bei sogenanntem »Raub auf dunklem Wege« war der kriminalgeografische Modellversuch erfolgreich. Prävention durch polizeiliche Präsenz schreckte Kriminelle ab. Die Beamten waren vor Ort, bevor die Täter ankamen. Horst Herold im Rückblick auf die Zeit des kriminalgeografischen Aufbruchs: »Die Methode ist nur dann erfolgreich, wenn das Prinzip flächendeckend angewendet wird und nicht an irgendwelchen Stadt- und Verwaltungsgrenzen endet, denn nur dann nämlich finde ich Täterströme, und nur dann kann ich daraus Schlüsse ziehen.«
    Heute ist das technisch kein Problem mehr, denn virtuell gibt es keine natürlichen Grenzen mehr. Weshalb der ehemalige BKA-Chef nicht verstehen kann, dass Crime Mapping, Kriminalgeografie per GIS, vom Bundeskriminalamt eher wie ein Bastard der Kriminologie behandelt, also kaum beachtet wird. Denn eigentlich ist Crime Mapping nicht nur wesentlich für die Ermittlung möglicher Täler, weil man inzwischen ja sogar ihre Mobilität berechnen kann, sondern spart auch noch Geld. Ohne personellen Mehraufwand ließe sich rationale Polizeiarbeit leisten, indem man Kräfte in einem bestimmten Raum bündelt, wo die meisten Taten begangen werden.
    Im Hotspot der Touristen, im Borrough Westminster, sind es hauptsächlich Taschendiebstähle, in anderen Borroughs von London dagegen Messerstechereien zwischen rivalisierenden Gangs. Christine Leist: »Wir werden unabhängig von Anfragen auch dann tätig, wenn Verbrechen über die Grenzen eines Borroughs hinausgehen. Was bei Sexualdelikten wie Vergewaltigungen regelmäßig der Fall ist. Denn ein Serientäter dieser Art ist mobil, er sucht Gelegenheiten, und die sucht er überall.« Viele Sexualtäter
aber schlagen eher lokal zu, zum Beispiel in Diskotheken in ihrem Viertel, weil es dort eine größere Auswahl an potenziellen Opfern gibt und weil auch viele leichter zu überwältigen sind, müde und nicht mehr ganz nüchtern, wenn sie nach Hause gehen. Die Liste über Sexualstraftaten in London wird alle vierundzwanzig Stunden aktualisiert und im polizeilichen Intranet publiziert. Weil es so viele Täter gibt – vom Exhibitionisten bis zum brutalen Vergewaltiger –, hilft nicht die übliche GIS-Methode der Verlinkung aufgrund von Tatortspuren, sondern nur die von übereinstimmenden Aussagen der Opfer darüber, wie sich der Unbekannte bei der Tat verhalten hat. Christine Leist verknüpfte bei einer Analyse deshalb Erkenntnisse aus der Verhaltenspsychologie mit den Methoden des Geoprofiling. Damit, sagt sie lapidar, sei es für »meine Kollegen draußen« sehr interessant geworden. Denn sechsundachtzig Prozent aller Vergewaltiger sind vorbestraft, für welche Tat auch immer, und seitdem mit ihren Daten im nationalen britischen Crime Register gespeichert.
    Jede britische Polizeidienststelle

Weitere Kostenlose Bücher