BKA - Die Jaeger des Boesen
demokratische Polizei braucht jedoch weder militärische Strukturen noch eisenharte Männer, sondern hochprofessionelle und zugleich nachdenkliche Beamte, die sich und ihre Arbeit immer wieder hinterfragen, um sie besser zu machen.« Auch Polizeipräsidenten, von denen es viele gibt, sind zumeist nur Verwaltungsbeamte, zwar unentbehrlich für Stellenpläne, Dienstzeitregelungen, Sachausstattung, aber außer für die erwähnten Verwaltungsaufgaben überflüssig, seit die Kommunikationstechnik dem Sachbearbeiter, dem Ermittler, dem Fahnder an der kriminellen Front unmittelbaren Zugriff auf die zentralen Datenbestände des BKA erlaubt. Spannungen zwischen Landeskriminalämtern und dem Bundeskriminalamt sind nach wie vor ein Thema bei gemeinsamen Fortbildungskursen, aber im Laufe der Jahre wurden sie dank gemeinsamer Erfolge größtenteils abgebaut.
Herold erinnert sich an konkrete frühe Versuche, die Arbeit des Bundeskriminalamtes lächerlich zu machen. Im wahrsten Sinn des Wortes seien BKA-Wissenschaftler zugemüllt worden mit Banalitäten, geschickt von den Landeskriminalämtern mit der höhnischen Bitte um Amtshilfe. Zum Beispiel sollten sie bitte klären anhand von dreißig übersandten handschriftlichen Proben, welcher Schüler in irgendeinem deutschen Kaff den Brief geschrieben hatte, in dem die Erdkundelehrerin als »Zicke« beschimpft worden war. In solchen Fällen lernten sie dann die andere Seite des hochgebildeten Intellektuellen kennen, die des arroganten Machers.
An der missglückten Befreiung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer hat es nicht gelegen, dass Herold danach bei den Regierenden in Ungnade fiel. Sogar im Scheitern hatte sich seine Strategie der Rasterfahndung, der Bewegungsbilder, der Analyse von Taten und Tätern als die richtige erwiesen. Ein simpler
Faktor hatte den Triumph verhindert, ein simpler menschlicher Faktor. Ein nachlässiger Beamter irgendwo. Ein arbeitsfreies Wochenende. Eine Panne.
Nein, es hatte andere Gründe. Herold war bekannt dafür, von Fall zu Fall seine Gegner vorzuführen, sie spüren zu lassen, wie überlegen er ihnen war und was er von ihren Fähigkeiten hielt. Manchmal wenig, oft gar nichts. Das diente der Sache. Nämlich präzise eine Lage zu analysieren – in seinen Fällen stets eine kriminelle – , um daraus notwendige Konsequenzen zu ziehen. Die Abgebürsteten reihten sich ein in die Schar seiner Gegner. Zu denen gehörten sowohl Politiker als auch Intellektuelle, Journalisten, Schriftsteller, Anwälte. Horst Herold und seine Datenbanken wurden als Gefahr für die bürgerlichen Freiheiten attackiert, die sei größer als die Bedrohung durch die RAF.
Das verletzte den Menschen Herold, denn er fühlte sich in Frage gestellt als Demokrat, der er war und der nichts anderes wollte, als die Demokratie mit allen legalen Mitteln zu verteidigen. Herold betonte immer wieder, wie wichtig es sei, dass Datenschutz nicht degeneriere zum Täterschutz, beteuerte bei jeder Gelegenheit, dass es ihm nicht darum ging, einen gläsernen Bürger zu schaffen, sondern um nichts anderes als um eine lückenlose Speicherung von Straftaten und Straftätern. Mehr noch als das ihm begegnende Misstrauen vieler Politiker trafen ihn die Attacken der Meinungsführer »Spiegel« und »Stern«, die ihm vorwarfen, eine Art von Stahlnetz über die Gesellschaft spannen zu wollen, in dem sich auch unschuldige Bürger verfingen. Mit Verweis auf die Erfahrungen aus der Nazizeit lautete das Motto: Wehret den Anfängen.
Er wehrte sich anfangs gegen diese Parolen, doch schließlich resignierte er, weil er sich von der Politik allein gelassen fühlte, womit er objektiv recht hatte. Herold reichte zweimal seinen Rücktritt ein, zweimal wurde der abgelehnt. Denn eines bezweifelten selbst seine Gegner im Innenministerium nicht – seine fachlichen Fähigkeiten. Nach einer Untersuchung durch einen Amtsarzt, die keine seine Arbeit behindernden Krankheiten ergab,
wurde ihm nahegelegt, im Alter von siebenundfünfzig Jahren aus gesundheitlichen Gründen um die vorzeitige Entlassung in den Ruhestand zu bitten. Innenminister Gerhart Baum, ein Linksliberaler, erfüllte pro forma 1981 diese »Bitte«. Im Frühjahr 2010 hat ihn der inzwischen auch alt gewordene Gerhart Baum besucht und sich für manches entschuldigt, was er damals gegen Herold unternommen hatte. Die beiden standen sich zu ihren aktiven Zeiten zwar unversöhnlich gegenüber wie die Anführer feindlicher Heere. Die gegenseitigen
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