BKA - Die Jaeger des Boesen
Vorwürfe heute noch mal aufzuwärmen ist angesichts der späten Versöhnung obsolet.
Nach seinem Rücktritt hatte Herold, um dem Staat die Kosten seiner nach wie vor nötigen Bewachung zu ersparen, Gerhart Baum vorgeschlagen, sich im Ausland niederzulassen, wo ihn niemand kannte. Zum Beispiel sei es möglich, dank seiner guten Kontakte zum FBI, in den USA eine neue Identität zu bekommen und fortan in Kalifornien zu leben, ohne ständige Begleiter. In welchem Land er seine Pension verzehre, sei doch letztlich egal. Er bat lediglich von dem Staat, dem er viele Jahre seines Lebens geopfert hatte, ohne in der Zeit ein privates zu haben, um einen Kaufkraftausgleich zwischen Dollar und Mark. Ausnahmeregelungen waren in den Paragrafen für Beamtenpensionen jedoch nicht vorgesehen, weshalb die Ministerialbürokratie entschied, Herold müsse bleiben, koste es, was es wolle.
Also musste er sich künftig im Lande einrichten. Nicht irgendwo als Bürger unter Bürgern, denn er stand weiterhin auf der Todesliste der RAF ganz oben. Solange die noch existierte, war sein Leben in Gefahr, also musste ein Ort gefunden werden, an dem er sich optimal beschützen ließe. Man bot ihm schließlich ein Grundstück mitten in einem Kasernengelände an. Wahrlich kein Platz, den sich Herold und seine Frau freiwillig ausgesucht hätten. Seitdem wohnen sie hier.
Im Wohnzimmer zeugen alle Bücherwände vom profunden Wissen des Bewohners. Der ist immer noch auf dem aktuellen Stand der kriminologischen Forschung. In den vergangenen Jahrzehnten und Jahren gab es riesige Fortschritte in der Kriminaltechnik
und in den Wissenschaften, die sich auf die Strafverfolgung positiv auswirkten. Doch nach wie vor gilt die Faustregel, dass es stets dann mehr Kriminalität gibt, wenn die Polizei verstärkt ermittelt, wenn also aus dem Dunkelfeld ein Hellfeld wird. Eine steigende Kriminalitätsrate muss nichts zu tun haben mit einer verschlechterten Sicherheitslage, ist oft einfach nur ein Fall für die Statistik, weil sich im Vergleich zum Vorjahr die Polizei konzentriert hat auf bestimmte Felder der Kriminalität. Ist die Aufklärungsquote bei Einbruch, Diebstahl, Autoklau, Körperverletzung etwa deshalb höher, weil die Klientel von der Polizei intensiver verfolgt wurde, oder kam sie zustande, weil weniger Straftaten angezeigt wurden? Sind die Zahlen in ihrer Aussagekraft also erhellend, oder bleiben die eigentlichen Entwicklungen im Dunkeln?
Die Zahlen werden vom Bundeskriminalamt in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) jedes Jahr veröffentlicht. Gespeist von allen sechzehn Landeskriminalämtern, ergibt sich daraus die Verbrechenslage der Nation. Die statistisch definierte allein aber sagt noch gar nichts aus, denn jeder Profi im Amt weiß schließlich aus Erfahrung um die Grauzone zwischen Hell- und Dunkelfeld. Sie kann schon deshalb nicht die Wirklichkeit widerspiegeln, sich allenfalls der Realität bei verschiedenen Delikten annähern. Die PKS ist eine Ausgangsstatistik, was bedeutet, dass in ihr nur die der Polizei bekannt gewordenen und von ihr bearbeiteten Straftaten bis zum Zeitpunkt der »Abgabe an die Staatsanwaltschaften« erfasst werden. Insgesamt gab es 2009 laut PKS 6 054 330 Straftaten in Deutschland, was im Vergleich zu 2008 einem Rückgang um 59 798 Fälle entspricht. Davon wurden aufgeklärt 3 368 879 Fälle, also 55,6 Prozent. Die höchste Aufklärungsquote gab es bei den 2277 Fällen von Mord und Totschlag, nämlich 95,7 Prozent, die geringste beim Betrug mit sogenannten »unbaren Zahlungsmitteln«, also dem Betrug mit Kreditkarten, denn die lag bei 9,6 Prozent.
Die Kriminalstatistik ist eine Momentaufnahme. Deshalb klaffen die Zahlen der Strafverfolgung und die der Gerichte über
dann tatsächliche Verurteilungen weit auseinander. Kaufhausdiebstähle sind besonders beliebt für Statistiken – Erfolgsquote 92,7 Prozent –, weil sie sich im Hellfeld der Aufklärung ohne Mühe als Erfolge platzieren lassen und mit wenig Arbeitsaufwand für die Polizei verbunden sind. Die meisten Täter werden von angestellten Detektiven auf frischer Tat ertappt und per Strafanzeige direkt weitergeleitet an die Justiz.
Statistik erzeugt Kriminalität, provoziert Herold, aber er begründet dann kühl analysierend diese provokante These: »Kriminalität ist nach allen Ergebnissen der Dunkelfeldforschung über alle Schichten der Gesellschaft entsprechend verteilt, egal ob Unter-, Mittel- oder Oberschicht. Nur die Hälfte aller Straftaten wird der
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