BKA - Die Jaeger des Boesen
Provinz, sie haben einfach bessere Möglichkeiten, sind technisch besser ausgerüstet, haben bessere Kontakte sowohl im Inland als auch im Ausland.
Gegen die ihre Arbeit behindernde Gesetzgebung setzte der
Jurist Herold zunächst einmal das System PIOS, um die künstliche Grenze zwischen Verbrechensaufklärung und -bekämpfung zumindest informationstechnisch aufzuheben. Polizeibehörden auf der ganzen Welt hatten bereits diese notwendige Doppelkompetenz. Nur das BKA nicht. Ins System PIOS wurden sämtliche Akten der einzelnen Bundesländer eingespeist, die Hinweise auf Terrorismus – in dem Fall den der RAF – enthielten. Ein Fundstellenregister mit Kommentierungen einzelner Fundstellen, um denen »in der vordersten polizeilichen Linie ohne hierarchische Barrieren direkt das gesammelte Wissen verfügbar zu machen« (Herold). Und zwar anhand von verdächtigen Personen (P), von Institutionen, im konkreten Fall einzelnen Gruppierungen der RAF (I), von Objekten wie den von Terroristen benutzten Wohnungen und darin gefundenen Spuren oder Telefonnummern (O), von Sachen wie Waffen, Ausweisen, Autos (S). Das System PIOS darf man sich im Prinzip so vorstellen wie die Suchmaschine Google. Herold ist überzeugt davon, dass PIOS »der Sargnagel für die RAF« gewesen ist.
Erfolgreich sogar über damals kaum überwindbare Grenzen hinweg. Sogar im Ostblock. Beste Erfahrungen machte Herold mit Behörden ausgerechnet in Bulgarien. Es waren Geschäfte auf Gegenseitigkeit. Die Kommunisten teilten auf dem inoffiziellen Dienstweg per Fax dem Klassenfeind mit, wo am berühmten Goldstrand ihrer Republik gesuchte RAF-Mitglieder badeten, die sich dann unter stillschweigendem Einverständnis der Bulgaren ein Kommando des BKA, eingereist als Kegelverein aus Wiesbaden, direkt vor Ort griff und für die Rückreise über eine gemeinsam ausgewählte grüne Grenze gut verpackt mit nach Hause nahm.
Im Gegengeschäft hatten die Deutschen nichts dagegen, in Absprache mit Versicherungen, dass bestimmte hochklassige Kfz, die in Deutschland geklaut und in Bulgarien sichergestellt worden waren, dort im Lande blieben, wodurch sich die Polizei in Bulgarien einen erstklassigen Wagenpark aufbaute und gleichzeitig den Autodieben ihr Geschäft verdarb. Denn an jeder Grenze stand ein
Gerät, vom BKA zur Verfügung gestellt, in dem die Kennzeichen geklauter Fahrzeuge gespeichert waren, was den Grenzern die Arbeit wesentlich erleichterte. Heute würde man das eine Win-Win- Situation nennen. Alle profitierten davon: Die Bulgaren bekamen hervorragende Autos made in Germany, die Versicherer mussten bald weniger auszahlen, weil sich die erfolgreichen Zugriffe der Grenzer in bestimmten Kreisen herumsprachen und daraufhin weniger Limousinen in Deutschland geklaut wurden, und das BKA freute sich, ein paar Namen auf RAF-Fahndungsplakaten streichen zu können.
Die Geschichte der RAF und die der Symbolfigur, die sich quasi in ihre Köpfe einnistete, ist in wichtigen Büchern von Stefan Aust und Wolfgang Kraushaar und Caroline Ehmke und Michael Sontheimer erzählt worden. Aufstieg und Fall sind zwar tatsächlich Geschichte, aber für Herold endet die Historie nie. Der größtmögliche Erfolg, die Rettung des entführten – und dann ermordeten – Hanns Martin Schleyer, blieb ihm versagt, weil der dank Rasterfahndung entscheidende Hinweis auf das Versteck in einem Hochhaus auf dem üblichen Dienstweg zwar freitags bei der zuständigen Sonderkommission des Landes Nordrhein-Westfalen per Telex ankam, aber bis Montag unbearbeitet liegen blieb. Herold ist bis heute überzeugt davon, dass es seinen Spezialkommandos in Kenntnis dieses Fernschreibens gelungen wäre, den Arbeitgeberpräsidenten unverletzt zu befreien. Wenn damals der Hinweis richtig bewertet worden wäre, übersetze ich das für mich, dann wäre die GSG 9 da irgendwann rein ins Hochhaus und hätte ihn rausgeholt.
Basierend auf Erkenntnissen aus früheren Attentaten der RAF hatte Horst Herold nach der Entführung von Schleyer in Köln, in deren Verlauf der Fahrer und drei begleitende Polizisten gnadenlos ermordet worden waren, ein Raster erstellen lassen, wonach sich die Terroristen wahrscheinlich in einem Hochhaus nahe einer Autobahnausfahrt aufhielten, wahrscheinlich in einem Gebäude mit einer Tiefgarage, von der aus sie unbeobachtet per Lift zu einer Wohnung fahren konnten, in der sie Schleyer gefangen
hielten. Die Theorie erwies sich als richtig. Ein entsprechender Hinweis kam von der Vermieterin eines
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