BKA - Die Jaeger des Boesen
wegen der aus dem Amt herrührenden Gefährdung –, der dem des Bundeskanzlers entsprach. Also höchste Stufe. Die Bewachung in NRW war beschränkt für die Wege von und bis zum Flughafen Düsseldorf oder von oder bis zu den Landesgrenzen. »Die Einstellung des Landes gipfelte neben den Unwahrheiten im Satz des Landesinnenministers in seinem Bericht an den Sicherheitsausschuss des Bundestages, auch nach dem Attentat bleibe es richtig, dass Herrn Rohwedder nur die Sicherheitsstufe zwei zustand. Ein Satz, der in seiner Dreistigkeit und Tölpelhaftigkeit für sich selbst spricht.«
Worte wie »Zufall« oder »Schicksal« sind verbunden mit »hätte«, »wäre«, »wenn«. Auch im Fall Rohwedder: Wenn es nach dem Notruf der schwer verletzten Hergard Rohwedder in der Ringfahndung gelungen wäre, den oder die Täter zu fassen, oder wenn in den beiden Jahren danach Zielfahnder des BKA die Mörder
des Treuhand-Chefs gestellt hätten, wäre ein Polizist namens Michael Newrzella noch am Leben. Der Kommissar war erst zweiundzwanzig Jahre alt, als er, ohne noch das Bewusstsein erlangt zu haben, 1993 an den Folgen seiner Verletzungen im Krankenhaus starb. Eine DNA-Analyse im BKA-Labor Wiesbaden ergab 2001 zweifelfrei, dass der Mann, der ihn niederschoss, identisch ist mit dem Mann, der am Rohwedder-Mord entweder beteiligt war oder eigenhändig die Schüsse auf den obersten Treuhänder abgegeben hatte. In beiden Fällen sind die Beweise eindeutig, in beiden Fällen sind die Analysen identisch, in beiden Fällen können die Spuren zweifelsfrei zugeordnet werden. In beiden Fällen handelt es sich um den RAF-Terroristen Wolfgang Grams.
Aber wer hat ihn begleitet? Wer hat die Flucht nach der Tat organisiert? Wer half bei der Ausspähung des Tatortes? Die Hinweise auf ein junges Paar, das sich vor Ostern in der Nachbarschaft aufgehalten hatte, erreichten die für die Ermittlungen dann zuständigen Beamten des Bundeskriminalamtes erst nach dem Mord. Vorbereitung und Ausführung des Verbrechens entsprachen geradezu wie aus dem Lehrbuch den bisherigen Taten der Rote Armee Fraktion. Die Terroristen ihrer Couleur traten meist paarweise auf. Bereits Wochen vor dem Attentat mussten Haus und Umgebung ausgespäht worden sein. Vielleicht hatten die Attentäter dabei sogar mitbekommen, dass nur im Erdgeschoss der Rohwedder-Villa die Fensterscheiben ausgewechselt worden waren, dass im ersten Stock alles beim Alten geblieben war – und daraufhin beschlossen, auf den Moment zu warten, in dem sich ihr Opfer genau dort oben am Fenster zeigen würde.
Der Patriot Detlev Rohwedder war nicht das letzte Opfer der Rote Armee Fraktion. Chronisten könnten es einen dem Schicksal geschuldeten Zufall nennen, dass ein Mitglied des RAF-Kommandos »Ulrich Wessel«, wie sich im Bekennerschreiben die Mörder nannten, mehr als zwei Jahre danach am 27. Juni 1993 auf dem Bahnhof von Bad Kleinen Michael Newrzella niederschießt. Vor dem alle überraschenden Fall der Mauer lag die Kleinstadt am Schweriner See auf dem Hoheitsgebiet der DDR. Kriminalbeamte
aus dem Westen hätten da Grenzen überschreitend nie ermitteln dürfen.
Dass sich daran nie mehr etwas ändern würde, glaubten – oder hofften – nicht nur Politiker beider Seiten. Darauf verließen sich auch Aussteiger der RAF und entzogen sich durch die von Stasi-Agenten organisierte und von Erich Mielke abgesegnete Flucht ins Arbeiter- und Bauernparadies den Zielfahndern des Bundeskriminalamtes. Als das System der SED-Greise zusammenbrach, bedeutete Freiheit fürs Volk das Ende der ihren. Bevor sie sich jedoch erneut absetzen konnten, nach Syrien oder nach Nordkorea, bekamen sie morgens in ihren Plattenbauverstecken Besuch von unauffälligen Herren der Abteilung Staatschutz des BKA. Die holten sie in schweren Limousinen mit verdunkelten Scheiben über die plötzlich durchlässige schussfreie Grenze zurück ins Land ihrer ungesühnten Taten, die Bundesrepublik.
Schicksal oder Zufall haben keine Beweiskraft. Beide Morde, der in Düsseldorf, der in Bad Kleinen, wären ohne das historische Faktum Einheit nicht passiert. Doch ist das nicht zeitgeschichtlichen Tatsachen anzulasten, sondern reellen Tätern. Dass Grams es war, der den GSG-9-Beamten Newrzella erschossen hat, ist bewiesen. Die Diagnose der Rechtsmediziner, die dessen Leiche untersuchten und das Kaliber der Kugeln feststellten, die ihn töteten, lässt daran keine Zweifel. Grams selbst kann nicht mehr befragt werden. Nach dem Schusswechsel in Bad
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