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Black Bottom

Black Bottom

Titel: Black Bottom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Keune
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allein.«
    Sándor hatte sich während Liemanns Antwort aufgerichtet; er überragte den Femina-Boss und seinen teuren dunkelbraunen Maßanzug um anderthalb Köpfe. Sicher, Liemann hatte Recht, doch er wusste genauso wie Sándor, dass er mit Polizeischutz nicht zu rechnen brauchte. Er selbst hatte mit Belfort darüber gestritten, aber Belfort hatte sich strikt geweigert, sich mit ihm zusammen bei Gennat dafür zu verwenden. Wenn Heinrich Liemann die Femina heute wieder aufmachen wollte, dann tat er das auf eigenes Risiko. Also zuckte Sándor Lehmann mit den Achseln, verschränkte die Arme vor dem Trenchcoat, unter dem er noch immer das zerknitterte und verschmierte Hemd des Nachmittags trug, und trollte sich.
    Â»Aber – Lehmann, he, Lehmann«, offenbar wollte Heinrich Liemann ihm bei aller Verbitterung noch etwas mit auf den Weg geben, und Sándor grunzte genervt und drehte sich zu ihm um, »wenn Sie bei aller Sorge um das Wohl meiner Gäste noch Zeit für die Polizeiarbeit haben, dann klopfen Sie doch mal bei meinem geschätzten Kollegen Jenitzky in der Friedrichstadt an. Der hätte mit seinem angestaubten Sammelsurium von Schießbuden guten Grund, der Femina die Pest auf den Hals zu wünschen. Und mir selber auch. Jedenfalls scheint er nicht für mich arbeiten zu wollen, obwohl ich ihm einen fürstlich bezahlten Geschäftsführerposten angeboten habe ab dem Tag, an dem ich seine zugrunde gerichteten Kaschemmen übernommen haben werde.«
    Mit diesen Worten schritt der sehnige, schmächtige Mann mit dem Menjoubärtchen würdevoll die Treppe hinunter, tauchte ein in das Gewusel der großen Abfertigungshalle und war nicht mehr zu sehen.
    Sándor genehmigte sich einen Escorial in der Bahnhofskneipe und überlegte, wie die Sache weitergehen würde. Natürlich war auch Heinrich Liemann kein Amateur. Eins seiner Telegramme hatte zweifellos einer Sicherheitsfirma gegolten, einer der wenigen, die noch das Risiko eingingen, auch für jüdische Auftrag geber zu arbeiten, obwohl dort die Gefahr, es mit ernsteren Raufe reien zu tun zu bekommen, zunehmend größer wurde. Hoffentlich konnten diese Kerle seinen Laden einigermaßen beschützen. Sándor Lehmann war da nicht sicher, und weil die Nürnberger Straße nur ein paar Minuten entfernt war, ging er hin.
    Wahrhaftig; als er vom Tauentzien aus rechts in die Nürnberger Straße einbog, hatte »Skowronneks Veranstaltungsagentur« – die vierschrötigen Männer des Sicherheitsdienstes – schon jede Menge zu tun. Denn vor der Femina hatte sich, wohl gereizt von den groß mäuligen Wiedereröffnungspostern an den Litfaßsäulen, eine stattliche Truppe uniformierter SA-Männer versammelt, die Protestplakate hochhielten. »Achtung, Lebensgefahr, hier wird jüdischer Profit gemacht«, »Negermusik – ein Bombenerfolg«. Sándor hielt Abstand; es hatte keinen Sinn, bei diesem Mob den Helden zu markieren. Die SA-Männer blockierten den ohnehin wenigen frühen Besuchern den Zugang zum Haus und lieferten sich ein zunehmend rabiater werdendes Gerangel mit den Sicherheitskräften und dem Barpersonal. Steine flogen; aus den Fenstern im ersten Stock wurden die Provokateure mit heißem Wasser aus der Restaurantküche verbrüht, und nun rückten doch noch Sándors Kollegen vom Bereitschaftsdienst an und versuchten, die Randalierer von der östlichen Seite der Nürnberger Straße zu verdrängen. Die SA-Männer skandierten noch ein paar Parolen und ließen ihre Wut an den Geschäften der Nachbarschaft aus. Ein Zeitschriftenladen ging zu Bruch; auch Mutter Fuhs, die dem Beispiel der Femina gefolgt war, wieder geöffnet hatte und die eben hochgezogenen Rouleaus nicht schnell genug wieder herablassen konnte, wurden die Scheiben eingeworfen – dann war der Spuk vorbei. Die Menge zerstreute sich; zwei Polizeibeamte blieben sicherheitshalber neben dem Eingang der Femina stehen, durch den erst mit Einbruch der Abenddämmerung zögernd erste Gäste strebten. Sándor sah nicht bei Hertha Fuhs vorbei; er ging zur Straßenbahn.

MOKA EFTI
    Â»Problem« war der Name einer teuren, kratzend starken Zigarette aus Kamelmist – jedenfalls war Sándor in zahlreichen Selbstversuchen zu der Überzeugung gekommen, dass kein Orienttabak der Welt diese beißende Qualmwolke produzieren konnte, diesen wie mit Hustenbonbons

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