Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Black Bottom

Black Bottom

Titel: Black Bottom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Keune
Vom Netzwerk:
als wollte er die goldenen Zeiger aus der Uhr quetschen.
    Â»In ein paar Wochen lande ich meinen großen Coup. Da geht die Bombe hoch.«
    Sándor horchte auf, als der das Wort »Bombe« hörte.
    Jenitzky breitete die Arme aus und deutete ein riesiges Reklameplakat an, mit schreienden Farben und Riesenlettern.
    Â»Berlins erster Jazz-Wettbewerb. Wer ist die beste Tanzkapelle? Dreißig heiße Bands an einem Abend – Abstimmung durch das Publikum!«
    Sándor gab keinen Kommentar zu dieser Vision ab, und Jenitzky rüttelte ihn fast wütend an der Schulter.
    Â»Verstehen Sie das nicht? Andere haben eine, zwei Bands am Abend. Ich will sie alle! Zehntausend Reichsmark für den Sieger des Abends, nennen Sie mir eine Band, die sich diese Aussicht entgehen lassen wird!«
    Sándor begann langsam zu nicken. Ja, das war nicht blöd, das konnte klappen. Doch Jenitzky hatte noch mehr auf Lager.
    Â»Und dann – um Mitternacht, eine Minute vor der Prämierung der Siegerkapelle – geht die ganz große Bombe hoch. Der Knalleffekt. Ein Ereignis, von dem die ganze Stadt sprechen wird.«
    Sándor stockte der Atem. Er starrte Jenitzky an, als wäre der selbst der Zeitzünder, der, tick, tick, tick, auf die Zündung zutickte. Und Jenitzky starrte zurück mit seinen rot geränderten Augen, dem maskenhaften Grinsen und einer hohen Stirn, von der der Schweiß als kleines Rinnsaal in die Augenwinkel und über die Schläfen troff.
    Sándor gab sich einen Ruck, gab das Stichwort.
    Â»Wie in der … Femina?«
    Jenitzky starrte weiter, mit einem Blick, der betrunkene Blödheit genauso ausdrücken konnte wie die abgebrühteste Offenheit. Er starrte, und quälend langsam öffnete sich sein breites Karpfenmaul zu einem riesigen, halbmondförmigen Lächeln. Der mas sige, schwitzende Kopf begann sich langsam nach vorn und zurück zu neigen, ein gottverdammtes lächelndes Nicken, das Sándor, der mit Verbrechern klarkam, aber vor Geistesgestörten eine unwillkürliche Scheu hatte, einen kalten Schauer zwischen die Schulterblätter jagte. Jenitzky nickte, als freimütiges Bejahen der eben gestellten Frage – oder als durchgeknallte Zustimmung zu allem, was der junge Bulle hier oben über Möthlow auf dem Hügel auch immer vermuten mochte.
    Â»Jaaaaa«, nickte Jenitzky, »das wäre ein Mordsvergnügen für alle, die dabei wären, oder? Die Nazis sind einen Amüsierschuppen los, die Bullen haben noch ein weiteres prestigeträchtiges Untersuchungsobjekt, und um die paar Rentner aus Buxtehude und das Fußvolk aus den Arbeitervierteln wäre es auch nicht schade. Wissen Sie was«, er schlug Sándor auf die Schulter, während ihm Speichel aus dem immer noch begeistert aufgerissenen Maul tropfte, »wissen Sie, was für Versicherungen ich im Panzerschrank habe? Nicht in meinem eigenen Panzerschrank, sondern bei meinen Rechtsanwälten? Was da für Summen anrollten, wenn mein eigener Laden, puff!, in einer stinkenden Gaswolke hochgehen würde? Und weil alle Welt die bösen Buben aus der Femina sucht, würde es keiner ahnen, wenn ich selbst dahintersteckte, in der Femina«, er hickste, ein Schluckauf, der in kollerndem Gelächter unterging, »und in meinem eigenen, heißgeliebten Laden! Mein lieber Scholli, was für ein Irrsinn!«
    Der Fahrer stand unversehens neben den Resten ihres Picknicks, und sein Erscheinen schien Jenitzky als Aufbruchsignal zu sehen. Er warf sein Sektglas achtlos in die Büsche – eine gewaltige, fast verblühte Fliederhecke – und kam ächzend auf die Beine. Schwankend stand der riesige Kneipier am Rand des Hügels und schickte schon wieder einen dampfenden Urinstrahl in das unbeeindruckt daliegende Havelland, und als sie wieder im Fond der schwarz-roten Limousine saßen, brauchte es nicht viel mehr als ein paar Schunkler von der kopfsteingepflasterten Möthlower Dorfstraße, und Jenitzky war in einen schnarchenden Tiefschlaf gefallen, aus dem er auch nicht erwachte, als der Fahrer Sándor eine gute Stunde später am Moabiter Spreeufer absetzte.
    Der Abend war unerwartet kühl geworden, vom Fluss stieg zusätzlich klamme Feuchtigkeit herauf, und Sándor stand noch eine Weile benommen im abnehmenden Tageslicht und sah dem Wagen nach, der am Ende der Straße nach rechts Richtung Alt-Moabit abbog.
    Dann machte er ein paar Schritte unter die

Weitere Kostenlose Bücher