Black Bottom
Zusammentreffen.
»Ja, warum? Haben Sie den Mann, Hallstein, befragt?«
Sándor räusperte sich; Belfort zog eine Augenbraue hoch.
»Das hätten wir gern, aber bevor wir diesen Burschen festnehmen konnten, ist er getürmt â und vor unseren Augen ins Messer eines Mörders gelaufen. Ja, mit einem wie Jenitzky legt man sich nicht an, der hat einen langen Arm!«
Die beiden Rechtsanwälte protestierten; Jenitzky machte eine schwache Bewegung, so als wollte er aufstehen, doch Weià bat um Ruhe und lieà Belfort fortfahren. Der Pausbackige redete eifrig weiter.
»Warum hat Hallstein Jenitzkys Namen notiert? Der Mann selbst war nicht in der Femina; ich war zur Tatzeit mit Ermittlungen dort beschäftigt und hätte ihn sicher bemerkt.«
Weià blickte auf und wollte offenbar eine Zwischenbemerkung fallen lassen, hielt sich dann aber zurück. Sándor kniff die Augen zu Schlitzen zusammen und warf einen Blick auf den Kollegen. Belfort fuhr fort.
»Nein, Jenitzky hat sich nicht selbst die Finger schmutzig gemacht und die Gasgranate in den Tanzpalast geschmuggelt, dafür hat er seine Leute. Und weil Hallstein â Kollege Lehmann hier hat das ermittelt â früher im Umfeld von Jenitzky gearbeitet hat, kannte er die Handlanger und Befehlsempfänger von Jenitzky ganz genau. Er hat in seinem Merkbuch notiert, dass einer von Jenitzkys Leuten in der Femina aufgetaucht ist, weil das etwas Besonderes war, etwas sehr Verdächtiges ⦠Und wie wir sehen, hat der Mann einen guten Riecher gehabt.«
Belfort hatte das Notizbuch wieder an sich genommen und klappte es zu.
»Nur für seine eigene Sicherheit hätte er etwas intensiver sorgen müssen.«
Belfort sah sich triumphierend um. Jenitzky hockte wieder reglos und starr in dem Lehnstuhl, in den die Sanitäter ihn gesetzt hatten; er wirkte würdevoll und maskenhaft wie einer der vergoldeten Sarkophage, die Howard Carter in den Zwanzigern im Tal der Könige ausgegraben hatte. Die Rechtsanwälte dagegen schienen die vorgetragenen Vermutungen nicht einfach hinnehmen zu wollen; einstweilen allerdings waren sie mit eifrigen Notizen in ihren kleinen schwarzen Notizbüchern beschäftigt, über die sie sich verkrampft und missbilligend beugten. Und WeiÃ, Bernhard WeiÃ, der Vizepolizeipräsident, hatte immerhin den Ausdruck von Zorn aus seinem Gesicht verloren und schien intensiv nachzudenken; Sándor sah, dass Belfort sich darüber freute, tief einatmete und es genoss, die Aufmerksamkeit von seinen eigenen Tätlichkeiten gegen Jenitzky abgelenkt und den alten, abgebrühten Nachtclubkönig wieder in den Fokus gebracht zu haben â bis sein Blick auf Bella fiel.
Denn Bella, die vorhin noch auÃer sich gewesen war, als sie unten im Keller Zeugin der Misshandlungen an Jenitzky geworden war, hatte die letzte Viertelstunde zusammengekauert und wortlos an ihrem Platz gesessen, doch jetzt â auch Sándor traute seinen Augen nicht â jetzt krümmte sich die junge Frau wie von fürchterlichen Schmerzen geschüttelt, schnappte japsend nach Luft und prustete hohnlachend los.
»Armer Onkel Hallstein â¦Â« Bella schüttelte mit einem letzten, galligen Auflachen ihren Kopf und starrte mit wilden Augen in die Runde. »Schlimm genug, zu Tode gejagt und abgestochen worden zu sein, aber nun auch noch den Belastungszeugen abgeben zu müssen für meinen armen Paps â das hat er nicht verdient!«
Onkel? Paps? Sándor starrte Bella an, als wäre sie jetzt gänzlich übergeschnappt; doch die Jazzsängerin wartete gar nicht erst auf dumme Fragen und bezeichnete die versammelte Männerriege als Schwachköpfe.
Weder Belforts Folterkeller noch die scharfsinnige Kriminalwissenschaft von Sándor, Weià und Konsorten hatte sie allesamt der Wahrheit nähergebracht â musste sie diesen Holzköpfen wirklich alles haarklein selbst erklären? Ganz von Anfang an? Dass sie, Bella, die Jazzsängerin aus der Kapelle von Julian Fuhs, Jenitzkys leibliche und einzige Tochter war â das kleine Mädchen, das er nach dem Tod ihrer Mutter notgedrungen zu sich genommen und groÃgezogen hatte mitten in dieser verrückten, verzweifelt feiernden, verbrecherischen Kneipenwelt Berlins? Bella nestelte zur Bestätigung ihrer Aussage eine Abschrift ihrer Geburtsurkunde aus einem kleinen, bestickten Umhängetäschchen, in der sie nicht Bella, sondern
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