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Black Bottom

Black Bottom

Titel: Black Bottom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Keune
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etwas bezahlte, verstand sich ebenfalls von selbst – bis zum Kapellenwettbewerb sollte die Identität der jungen Sängerin nun mal absolut geheim bleiben.
    Sándor hatte keinen Zweifel mehr; Bellas Geschichte stimmte. Er hatte sich auf ihre Zuneigung etwas eingebildet, stattdessen hatte sie ihn an der Nase herumgeführt, um seine kritische Stimme in Julians Band zu entschärfen, ihn zu entwaffnen mit den Waffen einer Frau. Er hasste diesen Ausdruck.
    Sándor warf einen Blick auf den mit einer hochgezogenen Augenbraue dasitzenden Vizepolizeipräsidenten; Bernhard Weiß war offenbar fassungslos über so viel fehlende Professionalität. Draußen lief ein gemeingefährlicher Gasmörder herum, und seine übereifrigen Polizeibeamten droschen aus judenfeindlichen Ressentiments den erstbesten Verdächtigen halbtot, statt die simpelsten Spuren auf ihre Stichhaltigkeit zu überprüfen und ihm, ach was, dem Deutschen Reich insgesamt diese peinliche Situation zu ersparen. Während er hier vor Jenitzkys Anwälten zu Kreuze kriechen durfte, verloren sie noch mehr wertvolle Ermittlungszeit; ohnehin hatten sie ganze Wochen seit dem Überfall mit einer falschen Spur verplempert. Weiß sah wütend auf und suchte den Raum ab, doch sein Blick traf nur auf Sándors, der schwieg und mit seinen Schuldgefühlen kämpfte. Belfort, der sich mit seinem glühenden, fanatischen Übereifer diesen unverzeihlichen Fehlgriff geleistet hatte, war, auch von Sándor unbemerkt, hinausgeglitten. Sicher war er geräuschlos durch den linoleumbelegten Flur gegangen, die knarrenden Holztreppen mit ihren dunkel gebeizten Geländern hinunter zu seinem Büro, um an der großen Wand mit den Notizzetteln und dem Stadtplan mit den Stecknadeln den Namen Jenitzky auszustreichen und sich, ohne Zeit zu verlieren, auf die Suche nach einem neuen Verdächtigen zu machen.
    Schließlich waren die Anwälte abgezogen, hatten Bella und den in Mull verpackten Jenitzky mitgenommen, und Sandór Lehmann, der immer noch wie gelähmt dasaß, hörte, wie Bernhard Weiß – inzwischen zu allem Überfluss auch noch mit Ernst Gennat als Verstärkung, der sich die neue Lage kopfschüttelnd hatte berichten lassen – das Wort an ihn richtete:
    Â»Verstehen Sie meine Position, Lehmann? Sie haben vielleicht kein Interesse an der Politik – im Grunde habe ich das auch nicht –, aber Sie als erfahrener Bulle sehen doch tagtäglich in den Straßen, dass da etwas auf uns zukommt, für das es kein Vorbild gibt. Ein Bürgerkrieg, eine Diktatur, was weiß denn ich. Eine Herrschaft des Verbrechens und damit etwas, das genau in unsere Zuständigkeit fällt – denn wir sind die, die das Verbrechen zu bekämpfen haben, auch wenn es Kreide gefressen hat und für den Reichstag kandidiert. Doch diesen Kampf können wir nur führen, wenn das deutsche Volk an uns glaubt; an uns und an unsere Neutralität. Und da schleppen wir einen jüdischen Bürger in unseren Keller und hauen ihm die Fresse ein …« Sándor wagte eine vorsichtige Anmerkung, keinen Einwand: »… einen nicht ganz unbeleckten Bürger, Herr Polizeipräsident«, doch Weiß ließ das nicht gelten: »… einen Bürger, der jedenfalls bisher nicht durch Bombenattentate auf Vergnügungslokale aufgefallen ist, und signalisieren nach außen, dass auch wir inzwischen auf der Seite der Nazis stehen und bei allem, was passiert, immer erst einen schuldigen Juden suchen.«
    Â»Aber, entschuldigen Sie, Sie sind doch selber Jude«, warf Sándor ein, und Bernard Weiß hielt einen Moment inne und knurrte:
    Â»Ja, das bin ich, wahrhaftig. Wer weiß, wie lange noch … Und dann schlagen wir unseren Hauptverdächtigen halbtot, bis die einflussreichsten Anwälte der Stadt auftauchen, und, schwupp, ist von Verdacht und Untersuchungshaft keine Rede mehr, und der Mann spaziert hier sang- und klanglos hinaus. Wir sind keine neutrale, aus eigenem Antrieb handelnde Kriminalpolizei, wir hören auf jedes Hü und Hott, egal, wer’s uns zuruft – die Braunen, die Anwälte, sogar Jenitzkys Tochter.«
    Â»Aber war die Geschichte der jungen Frau nicht glaubwürdig?«
    Â»Vorhin haben Sie die junge Frau noch geduzt, wenn ich mich richtig erinnere«, Weiß’ Gesicht zeigte keine Spur von Ironie oder Vorwurf, »und gerade wenn Sie selbst so nah an der Dame

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