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Black Bottom

Black Bottom

Titel: Black Bottom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Keune
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vollständig Amalie Anna belle Jenitzky hieß.
    Sándor machte ein wütendes Gesicht bei dieser Eröffnung; aber hatte er selbst es für nötig befunden, sie bei ihrem Tête-à-tête im Hausboot auch nur nach ihrem Nachnamen zu fragen? Und hatte er nicht selbst auch reichlich Verstecken gespielt und war erst spät mit seiner polizeilichen Identität hinter dem riesigen roten Schnurrbart herausgerückt?
    Ja, sie war Jenitzkys Tochter, und nicht nur der Hehler Hallstein, sondern eine ganze Armada schwerer Jungs hatten regelrecht onkel hafte Gefühle ihr gegenüber, auch wenn die junge Frau ihre Kindheit schon einige Jahre hinter sich hatte. Im Grunde fand sie »Papas wilde Freunde« eher kurios als gefährlich, und dass die Kerle jeden ihrer Schritte sofort dem alten Herren meldeten, war absolut inakzeptabel. Was nicht hieß, dass der »arme Onkel Hallstein« sein trauriges Schicksal verdient hätte, aber Jenitzky jedenfalls hatte absolut nichts damit zu tun. Der vergessliche Hallstein hatte den Namen notiert, um dem Exboss am nächsten Tag brühwarm (und gegen ein angemessenes Handgeld) zu hinterbringen, dass seine Tochter Bella die Nächte nicht brav zu Hause mit romantischen Romanen und Handarbeiten zubrachte, sondern auf einer der großen Bühnen der Stadt dem Publikum schöne Augen machte. Sehr schöne Augen sogar, wie Sándor fand.
    Â»Kannte Julian Fuhs deinen Namen?«, wollte Sándor Lehmann wissen, und Bernhard Weiß entging keineswegs, dass Sándor die junge Frau duzte.
    Bella schüttelte den Kopf. Das war doch genau ihr Plan, dass Julian und die »Follies« – derzeit vielleicht die erfolgreichste Jazzkapelle der Stadt – nicht ahnten, wer sie war, sondern sie wegen ihres Gesanges in die Band holten. Hätte der Bandleader sie überhaupt angeheuert, wenn er geahnt hätte, dass sie Jenitzkys Tochter war? Das war fraglich; Fuhs wollte unabhängig bleiben, sich nicht binden, schon gar nicht an die Tochter des umstrittensten Kneipenkönigs dieser Stadt. Die Angst, vom ernsthaften Jazzkapellmeister zum ausgenutzten Pausenclown zu werden – ein Weg, den schon viele Bandleader gegangen waren –, hätte ihn zweifellos von einem Engagement Bellas absehen lassen.
    Und wenn Paps zu früh von der Sache erfahren hätte – Ihr zärtliches Wort »Paps« schien das in Mullbinden gewickelte Urgestein im Lehnstuhl zu rühren, und ein dumpfes, gebrochenes »Bella« kam zurück aus den Tiefen der Gesichtsbandage –, wenn Paps mitbekommen hätte, was sie vorhatte, wäre ihm das nicht recht gewesen.
    Er war, wie alle Väter waren, denen bei der Kindeserziehung keine Frau beistand, und Witwer war er schon sehr kurz nach Bellas Geburt geworden: Er war überbesorgt, despotisch, eifersüchtig und hätte seine heranwachsende Tochter am liebsten unter Aufsicht in ihrer gemeinsamen Wohnung eingeschlossen, um sie von den Gefahren dieser mörderischen Großstadt fernzuhalten, statt zuzulassen, dass sie sich ein paar Jazzkapellen angelte und ihr Kleingeld (von dem es im väterlichen Haushalt auch in schlechteren Zeiten immer noch mehr als genug gab) als Jazz sängerin verdiente.
    Â»Was heißt ›ein paar Jazzkapellen‹?«, wollte Sándor wissen, also rückte sie mit der ganzen Wahrheit heraus: dass sie sich nicht eine Jazzkapelle geangelt hatte. Sondern DREI Jazzkapellen, genauer gesagt: die drei derzeit populärsten Combos der Stadt. Bellas Stimme bekam einen trotzigen Unterton, das merkte sie selbst, als hätte dieser halbe Bulle und halbe Klarinettist sie eben beim dritten Stück Buttercremetorte erwischt, aber verdammt noch mal, so war es doch: Wer sie hörte, der wollte sie haben; war es nicht ihre Sache, für wen sie sang?
    Sándor war offensichtlich perplex. Der Bulle mit der Klarinette mimte die Mimose, Bella zuckte gleichgültig die Achseln. Unter männlichen Musikern war es ganz üblich, sich gegenseitig mal ein paar Blechbläser auszuleihen oder einen Schlagzeuger, und namentlich die großen Solisten tourten nonstop durch die ganze Stadt und hatten minutenweise abgerechnete Engagements in etlichen der großen Kapellen, oft am selben Abend, ja, im selben Lokal. Wenn sie als Sängerin das Gleiche tat, war sie … untreu? In was für Zeiten lebten sie eigentlich?
    Â»Für wen singst du noch?«, wollte Sándor wissen.
    Â»Fud

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