Black Box BER: Vom Flughafen Berlin Brandenburg und anderen Großbaustellen. Wie Deutschland seine Zukunft verbaut (German Edition)
Rundum-sorglos-Paket. Aus diesem Grund nötigen sie unter anderem dem Architekten die Generalplanung mit Gesamthaftung auf – sozusagen: einer für alle. Im Klartext bedeutet dies, dass der Architekt für alle Planungspartner haftet, aber leider nicht über genügend Einfluss und die erforderlichen Steuerungsmöglichkeiten verfügt. Vielfach handelt es sich um einen Knebelvertrag, bei dem der letzte Überlebende für alle diejenigen einstehen muss, die sich durch Insolvenz der Verantwortung entzogen haben.
2. Dem Bedarf hinterherplanen
Man könnte dieses Phänomen auch die »bedarfsgerechte Fehlplanung« nennen. Im Falle von BER trat dieser Zustand sehr bald durch die ständigen Änderungen des Bauherrnein, schnell erreichte man eine Flughafenauslastung von nahezu 100 Prozent; Kontingente für die Zukunft wurden dabei geflissentlich außen vor gelassen.
3. Pauschalierung
Ein weiteres Instrument der Bauherren, um Gleichförmigkeit und Vergleichbarkeit unter Kontrahenten herzustellen. Der Nachteil liegt in der Preismanipulation, die einer offenen Preisfindung zuwiderläuft. Pauschalieren sollte der Bauherr nur, wenn er weiß, was er will. Späte Änderungen führen zur Explosion der Kosten aufgrund »konstanter baubetrieblicher Störungen«, ohne dass ein Mehrwert oder eine tatsächliche Mehrleistung entsteht.
4. Nutzungsvielfalt
Moderne multifunktionale Bauten müssen vielerlei nutzungsfremde Einbauten integrieren, was nicht immer im Sinne der Funktionalität und der Architektur ist. Im Falle von BER betrifft dies zum Beispiel den spät angemeldeten Wunsch eines Walk-through-Shops mit nachfolgender Einkaufsmeile. Der Wunsch hatte teure Umplanungen zur Folge. Die Funktionalität des Flughafens wurde dadurch nicht um einen Deut besser.
5. Schwarz bauen …
… bedeutet, Aktivitäten auf der Baustelle zu initiieren, die in dem Sinne illegal sind, dass dafür keine Genehmigung vorliegt. Im Falle von BER trat dies wiederholt ein, um Änderungen zeitlicher wie baulicher Natur gerecht zu werden: Gerade ausgesprochene Baugenehmigungen wurden von neu eingereichten Tekturen (überarbeiteten Anträgen) überholt. Im Geltungsbereich dieser Tekturen sind die Baugenehmigung und somit auch die Bauausführung ausgesetzt. Da man sich terminliche Verzögerungen nicht leisten konnte oder wollte, wurde, mit Duldung der Bauaufsicht, auf ausdrückliches Risiko des Bauherrn weitergebaut.
6. Berichtswesen
Bautagebücher und dergleichen sollen einen objektiven Projektverlauf und Zustandsbericht darstellen. Falls jedoch weitere – übergeordnete – Beteiligte die Tatsachen anders interpretieren wollen, steht es ihnen frei, die Berichte zu überarbeiten. Im Falle von BER schlich sich beim Bauherrn eine mutwillige Farbenblindheit ein. In den Bautagebüchern der Planungsgemeinschaft für den Dezember 2011 sowie für den Berichtszeitraum Januar bis März 2012 wurden unsere roten Warnpfeile, die darauf hinwiesen, dass Termine nicht zu halten seien, vom Projektsteuerer in gelbe Ampeln geändert, die signalisierten, dass die Terminvorgabe erfüllt werden kann, wenn auch nur mit besonderen Anstrengungen. Diese »bereinigten« Berichte wurden an den Aufsichtsrat weitergeleitet.
7. Controlling
Ähnlich dem Berichtswesen ist das Controlling geartet. Im Falle von BER fand der Showdown zwischen den Projektsteuerern CBP und Drees & Sommer erst gar nicht statt. Der Bauherr ignorierte die Zahlen.
8. Inbetriebnahme vor Fertigstellung
Nicht immer harmoniert der Eröffnungstermin mit dem der Baufertigstellung. Das ist im Baugeschäft keine Seltenheit. Der Flughafen München wurde erst Jahre nach der Eröffnung in Teilbereichen behördlich abgenommen. Im Falle von BER ging dergleichen Pragmatismus gründlich in die Hose.
9. Verantwortung wegdelegieren
Bevor man selbst als Bauherr die Verantwortung übernimmt, indem man sagt, man könne Termine nicht mehr einhalten, hofft man lieber darauf, dass ein Bauamtsmitarbeiter ein halb fertiges Haus abnehmen wird. Der kleine Beamte wird sich schon nicht trauen, eine Milliardeninvestition auszubremsen. Dem sind wir zuvorgekommen und haben die Unterschrift unter die Fertigstellungsmeldung versagt. Verantwortung übernehmen heißt eben auch, eine Unterschrift unter eine Fertigstellungsmeldung an das Bauordnungsamt zu verweigern! Im Falle von BER hatte man die Entscheidung der Zulässigkeit der Inbetriebnahme an die Mitarbeiter des Bauordnungsamtes wegdelegiert.
10. Mogelpackung
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