Black Box BER: Vom Flughafen Berlin Brandenburg und anderen Großbaustellen. Wie Deutschland seine Zukunft verbaut (German Edition)
damit zur Reduktion der Abfertigungskapazitäten und der Kapazitäten in den Wartezonen. Wir schlugen vor, das Terminal, wie ursprünglich geplant, um jeweils ein Joch (43,25 Meter) nach Norden und Süden zu erweitern, und bezifferten die Mehrkosten für diese Kapazitätserweiterung. Der Vorschlag wurde vom Bauherrn unter Verweis auf die Kostenobergrenze abschlägig beschieden.
Die Kosten für die Umplanung und die Umwidmung der Nutzungen (mehr Non-Aviation-Flächen bei weniger Aviation-Flächen) erhöhten die Anforderungen an die Planung und an die Brandschutzmaßnahmen weiter. Wenn man heute über die Kostenexplosion spricht, unterschlägt man diese zum Teil wesentlichen und ständig geänderten Anforderungen und die damit verbundenen Manöver des Bauherrn. Mit anderen Worten, das Bauvolumen stand im krassen Gegensatz zur Kostenschätzung, und die weiteren Anforderungen unterlagen fortlaufender Veränderung. Die Bruttogeschossfläche stieg um 70 Prozent von 200
000 Quadratmeter auf 340
000 Quadratmeter. Eigentlich ein Problem, das jeder Eigenheimbauer kennt – nur ging es in diesem Fall um 400 Millionen Euro öffentlicher Gelder.
Ähnlich verhielt es sich mit dem sogenannten Ebenenshift. Hinter der harmlos klingenden Formulierung verbirgt sich der Wunsch des Bauherrn, nach Abschluss der Entwurfs- und Genehmigungsplanungen die Fluggastbrücke für das Großraumflugzeug A-380 zu verlegen. Ursprünglich mittig am Terminal geplant, damit die beiden großen Flughafenallianzen um Lufthansa und Air Berlin gleichermaßen direkt aus ihren Zonen am südlichen wie nördlichen Hauptpier Zugang zum Non-Schengen-Bereich gehabt hätten, sollte die Brücke nun in den Bereich von Air Berlin verschoben werden. Warum? Air Berlin hatte angekündigt, A-380- Maschinen kaufen zu wollen. Technisch sind fast all diese Wünsche beziehungsweise Umplanungen erfüllbar, nur kosten sie Geld, Nerven und viel Zeit – zumal die neue Position außerhalb des Non-Schengen-Bereichs lag.
Selbstverständlich stehen Bauherren auch Entscheidungen dieser Art zu. Allerdings kaschiert der Begriff Ebenenshift eine der massivsten Umplanungen im Hauptterminal und war laut den Projektsteuerern Drees & Sommer nur durch erheblich mehr Geld oder mit einem deutlich vergrößerten Zeitfenster zu erreichen. Bis heute hat Air Berlin übrigens keinen einzigen A-380 bestellt.
Den renommierten deutschen Projektsteuerer Drees & Sommer hatte der Bauherr mit dem Beginn der Bautätigkeiten als »Construction Manager« an seine Seite bestellt – eine besonders bei unerfahrenen Bauherren beliebte Variante, eine zweite Meinung einzuholen sowie bei Entscheidungsprozessen über die notwendige Kompetenz zu verfügen. Die konkrete Aufgabe von Drees & Sommer bestand darin, das Projekt und die Vergabestrategien mit Blick auf Zeit und Kosten zu analysieren. Die Ergebnisse waren allerdings gar nicht im Sinne und gemäß den Wünschen des Bauherrn. Sie führten zu einer sofortigen Trennung von Drees & Sommer. Besonders zwei Resultate stießen bei der Geschäftsleitung auf Unwillen:
Erstens die geschätzten Mehrkosten von über einer Milliarde Euro, zweitens, dass aufgrund der vielen vom Bauherrn geforderten Änderungen der Eröffnungstermin entweder nur mit zusätzlichem Geld oder die Einhaltung des Kostenrahmens nur mit mehr Zeit zu erreichen sei.
Nach Verabschiedung von Drees & Sommer wurde der ursprüngliche Projektsteuerer Cronauer Beraten und Planen (CBP) wieder ins Boot geholt. Er verhielt sich weisungsgemäß, also konformer. Insbesondere die Auswirkungen der von der Planungsgemeinschaft kritisierten Vergabestrategien und die Darstellung der fatalen Wechselwirkung zwischen Bauzeit und Kosten bis zur Fertigstellung wurden von CBP ignoriert. Allen Warnungen zum Trotz hielt man schon damals an nicht mehr realistischen Fertigstellungsterminen und -kosten fest. Was bei diesem seitens des Bauherrn und seiner Berater verursachten Chaos auch auffällt, ist die zunehmende Entfremdung von den realen Begebenheiten auf der Baustelle.
Das gilt vor allem für den Ebenenshift und seine Folgen. Während der Bauausführung wurde eine neue Baugenehmigung beantragt, was zu erheblichen Störungen im Bauablauf führte. Die baubegleitende Planung fiel teilweise in den Status der Entwurfs- und Genehmigungsplanung zurück. Da man die genehmigungsrechtlichen und damit verbundenen terminlichen Risiken erkannte, verfügte die Geschäftsführung am 29.
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