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Black Box BER: Vom Flughafen Berlin Brandenburg und anderen Großbaustellen. Wie Deutschland seine Zukunft verbaut (German Edition)

Black Box BER: Vom Flughafen Berlin Brandenburg und anderen Großbaustellen. Wie Deutschland seine Zukunft verbaut (German Edition)

Titel: Black Box BER: Vom Flughafen Berlin Brandenburg und anderen Großbaustellen. Wie Deutschland seine Zukunft verbaut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meinhard von Gerkan
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mit eingebauter Selbstüberschätzung
    Spätestens wenn der Karren gegen die Wand gefahren ist, setzt in der Regel heftiger Aktionismus ein. Neben Schuldigen wird fast immer auch gleichzeitig nach einer schnellen, einfachen (aber leider nicht mehr kostengünstigen) Lösung gesucht. Nicht selten nimmt der Bauherr die Dinge dann selbst in die Hand.
    Genauso war es im Falle von BER nach der fristlosen Kündigung der Planungsgemeinschaft. Der Bauherr verpflichtete kurzerhand deren bisherige Subunternehmer! Statt eines Werkvertragsverhältnisses schloss er jedoch eine Reihe von Dienstverhältnissen ab. Diese besagen unter anderem, dass die Firmen sich nicht mehr an Termine halten müssen, da sie nur noch ihre Arbeitszeit schulden, nicht jedoch einen Werkerfolg. Eine der ersten Konsequenzen war die Verschiebung der Flughafeneröffnung zunächst von März auf Oktober 2013 und nunmehr auf einen unbestimmten Termin.

Die Agonie der Expertokratie
    In der Öffentlichkeit kursieren spätestens seit BER und Elbphilharmonie Hamburg zahlreiche Überlegungen, wie man der Kostenflut bei Großbauprojekten Einhalt gebieten kann. Zeitungsartikel, Fernsehreportagen und dicke Bücher fördern immer neue Patentrezepte zutage. Man kann geradezu von Kostendämpfungsmoden sprechen. An diesem öffentlichen Vorschlagswesen will ich mich nicht beteiligen. Die Geschehnisse um den Hauptstadtflughafen geben vielmehr Anlass, den Wandel im Selbst- und Fremdbild des Architekten zu befragen, die Veränderungen seines Verantwortungsbereichs infolge der arbeitsteiligen und technologischen Entwicklung der jüngsten Vergangenheit zu reflektieren und Schlüsse daraus zu ziehen.
    Ich wurde Architekt aus Leidenschaft und bin es seitdem immer geblieben, bis zum heutigen Tag. Architektur ist für mich, auch nach jahrzehntelanger Berufspraxis, eine wunderbare Art und Weise, die Welt zu bereichern und in einen lebenswerteren Ort zu verwandeln. Bewusst wählte ich eine Profession, die sowohl mit dem Kopf als auch mit den Händen gestaltet und dauerhafte Ergebnisse zeitigt. Als eine der ältesten Künste der Menschheit bietet Architektur noch immer Schutz vor den Elementen, Raum für Entwicklungen aller Art, und im günstigsten Falle erfreut sie die Allgemeinheit auch noch.
    An meiner Haltung hat sich bis heute nichts Wesentliches geändert. Allerdings haben sich, insbesondere in den zwei letzten Jahrzehnten, die Koordinaten, unter denen Architektur tagtäglich entsteht und ihre bauliche Realisation findet, fundamental verschoben. Das komplexe System der Architektur ist durch eine zunehmende Zahl von Einflüssen und Entwicklungen instabil geworden. Bereits 1982 habeich mich darüber beklagt, dass die Entwurfsplanung schon längst nicht mehr die Hauptbeschäftigung eines Architekten darstellt. Das vom modernen Architekten zu beherrschende Wissen reiche mittlerweile »von kaufmännischen und juristischen Kenntnissen der Immobilienrendite und des Vertragsrechts über das technische Fachwissen von Materialeigenschaften und Herstellungstechniken bis zur Befähigung für die entwerferische Synthese. Das einschlägige Fachwissen hat in den vergangenen Jahrzehnten explosionsartig zugenommen. Hunderte neuer Baustoffe und komplizierter Herstellungstechnologien haben das Bauen gleichermaßen wie die immer spezifischeren Nutzungsanforderungen und ein Dickicht von Baugesetzen zu einer äußerst diversifizierten Disziplin gemacht. Da kein Einzelner mehr die gesamte Menge des Fachwissens bereitzustellen vermag, folgt daraus zwangsläufig eine Spezialisierung. Ursprünglich originäre Architektenleistungen werden deswegen von anderen besser und rationeller erbracht: von Statikern, Bauphysikern, Akustikern, Haustechnikingenieuren, Organisatoren, Soziologen, Psychologen und so weiter. In vielen Bereichen ist der Architekt von Spezialisten überholt worden. Zusätzlich substituiert die Technik der elektronischen Datenverarbeitung berufliches Know-how.« 4
    Dieser von mir seinerzeit beschriebene Prozess des Outsourcing ist in den vergangenen gut dreißig Jahren exponentiell beschleunigt worden. Die Auslagerung von Architektenfunktionen in die Hände von Experten hat die Expertokratie, die Herrschaft der Experten, ungemein erstarken lassen. Auf dem BER-Gelände wimmelt es von gut ausgebildeten Experten, jeder für seinen speziellen Bereich verantwortlich, aber ohne Blick für das große Ganze.
    Die am weitesten gehende Spezifizierung in meiner mittlerweile fast fünf Jahrzehnte

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