Black Box BER: Vom Flughafen Berlin Brandenburg und anderen Großbaustellen. Wie Deutschland seine Zukunft verbaut (German Edition)
Rohbau circa 15
000 Einzelfälle registriert.
15
000 Mängel boten seinerzeit keinen Anlass, eine mediale Skandalisierung zu mobilisieren. Ein paar Mängel mehr auf einer wesentlich größeren Baustelle jedoch veranlassten Bild am Sonntag rund zehn Jahre später zur Empörung. Am 17.
Februar 2013 berichtete das Blatt unter Berufung auf Informationen aus Aufsichtsratskreisen über 20
000 Mängel auf dem »Skandal-Flughafen BER«, »von der Rauchgasanlage bis zur kaputten Fliese«. Innerhalb von drei Wochen verdoppelte sich diese Zahl nahezu. Das Nachrichtenmagazin Focus zählte am 9. März 2013 bereits knapp 40
000 Bauschäden. Gegen die Erstellung eines Mängel-Reports und gegen die nachfolgende Abarbeitung der festgestellten Mängel ist sicher nichts einzuwenden. Die Kleinteiligkeit allerdings, der plakative Alarm, den der Boulevardjournalismus aus wenig lauteren Motiven um defekte Fliesen macht, um sie anschließend mit Problemen der Entrauchungsanlage in einen Topf zu werfen, ist wenig dienlich. Hier wird der Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen. Alarmismus verstellt den Blick aufs Wesentliche. Statt über 20
000 oder 40
000 Mängel sollte über vier Voraussetzungen diskutiert werden, die für Großbauprojekte in demokratisch verfassten Ländern charakteristisch sind, und über die in ihnen schlummernden Fehlerquellen.
Betrachtet man die aktuellen Großbauprojekte in Deutschland: Stuttgart 21, Elbphilharmonie und BER, fällt auf, dass sie bei vergleichbarer Ausgangslage unterschiedliche Problematiken aufweisen. Vergleichbar sind:
Der Vierjahrestakt des periodischen Parlamentarismus.
Kleinrechnen des Finanzbedarfs, um das Bauprojekt parlamentarisch leichter durchsetzen zu können.
Vertragsgestaltung mit ausgebufften Profis.
Ausgleich von Gemein- und Eigennutz.
Jeder dieser vier Punkte enthält eine Reihe von Fehlerquellen:
1. Der periodische Parlamentarismus zwingt die Politiker zur Eile, wollen sie ein Projekt innerhalb der von ihnen verantworteten Legislaturperiode durchführen, entweder weil ein Bauwerk ihre politische Leistung gewissermaßen physisch sichtbar macht oder weil sie sich schlicht ein Denkmal setzen wollen. Im Prinzip greifen Politiker gern zur Macht des Faktischen. Sie beginnen mit dem Bauen, ohne dass die Finanzierung und die Planung gesichert sind. Im schlimmsten Fall ist der Ablauf einer Legislaturperiode verbunden mit einem Wechsel der Bauherrschaft, zwar nicht institutionell, aber personell.
2. Beim Kleinrechnen sind die Bauunternehmen den Politikern behilflich, um den Zuschlag für Bauaufträge zu bekommen. Erst wenn die Kosten explodieren, kommt die Realität zum Zug. Auch die Versuche, Großbauprojekte privat finanzieren zu lassen, fallen unters Kleinrechnen. Dem Steuerzahler wird das Projekt schmackhaft gemacht, weil es ihn angeblich nichts kostet.
3. Ein Politiker, der es eilig hat, schließt überhastet Verträge ab, deren Folgen meistens nicht er selbst, sondern sein verantwortlicher Nachfolger ausbaden muss. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle ist ein Politiker höchstens einmal im Leben mit einem Großprojekt befasst, verhandeltjedoch mit Unternehmen, die nichts anderes tun. Diesen gegenüber befindet er sich im Zustand der Ahnungslosigkeit und des Dilettantismus. Versäumnisse in der Vertragsgestaltung führen nicht selten zu unstrukturierten und unangemessenen Bauaktivitäten, oder es werden falsche Verantwortliche mit der Bauregie beauftragt, zum Beispiel in Hamburg anfangs die Kulturbehörde.
4. In der Bundesrepublik Deutschland zeigt niemand mit einem Finger auf die Landkarte und befiehlt: Hier wird gebaut. Die Politiker hierzulande müssen vielmehr für einen angemessenen Ausgleich von Gemein- und Eigennutz sorgen. Dabei zählen die Bedürfnisse der Bevölkerung (Schutz vor Emissionen, Lärmschutz, Umweltschutz), von Fauna und Flora genauso viel wie die der zukünftigen Großbaubetreiber.
Ohne Zweifel sind noch weitere Fehlerquellen denkbar. Aber auf Vollständigkeit kommt es mir nicht an. Ich möchte vielmehr plausibel machen, dass die Problematiken der aktuellen drei bundesdeutschen Großbaustellen sich aus diesen Fehlerquellen speisen. Die Unterschiede liegen in der Kombination der Fehlerquellen. In einem Fall (Stuttgart 21) ergeben sich die Schwierigkeiten aus dem mangelnden Ausgleich von Gemein- und Eigennutz und der Undurchsichtigkeit der Finanzpläne, in einem anderen Fall (Elbphilharmonie) aus der
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