Black Box BER: Vom Flughafen Berlin Brandenburg und anderen Großbaustellen. Wie Deutschland seine Zukunft verbaut (German Edition)
Gremien, die alles infrage stellen, nehmen überhand und Einfluss, zum Beispiel Juristen, Banker, Marketingstrategen.
Permanente Änderungen aller Anforderungen.
Eitelkeit des Bauherrn und des Architekten.
Dreh- und Angelpunkt jedes Bauauftrags sind von Anfang an natürlich die definierten Bauaufgaben, der Zeitrahmen und die Kosten. Ich kenne kein größeres Bauvorhaben, und damit meine ich besonders öffentliche Bauvorhaben, das von Anfang an in einer für die Öffentlichkeit nachvollziehbaren Art und Weise mit realistischen Zahlen verbunden worden wäre. Bei der Genehmigung von öffentlichen Baumaßnahmen ist die realitätsferne Verdrehung von Zeitrahmen und Kosten als fester Bestandteil des Prozedere mit anzusehen. Augenscheinlichstes Beispiel der jüngsten Vergangenheit inDeutschland ist die Elbphilharmonie in Hamburg. Die erste Zahl, die der damalige Bürgermeister der Stadt Hamburg benannte – 77 Millionen Euro –, war ausschließlich politisch motiviert. Sie sollte als Bestand eines Gesamtpakets aus einmaliger städtischer Lage, weltbekanntem Architekten und kultureller Nutzung – wem wollte man es verdenken – Machbarkeit suggerieren, Begehrlichkeiten wecken, politischen Gestaltungswillen verkörpern et cetera. Mittlerweile belaufen sich die geschätzten Kosten für die öffentliche Hand auf deutlich über einer halben Milliarde Euro, und die zeitliche Verzögerung beträgt vorerst sieben Jahre.
Elbphilharmonie Hamburg, Architekten Herzog & de Meuron
Das ist kein neues Phänomen. Kaum einer erinnert sich, dass das heutzutage weltweit als architektonische Ikone gefeierte Opernhaus im australischen Sydney einer der größten Bauskandale seiner Zeit war. 1957 gewann der dänische Architekt Jørn Utzon den internationalen Wettbewerb. Bald stellte sich jedoch heraus, dass das »Schalenbauwerk« nicht als solches gebaut werden konnte. Die Baukosten stiegen von 3,5 auf über 50 Millionen britische Pfund! Die für 1965 geplante Fertigstellung wurde schließlich auf 1973 verschoben. Utzon verwies man 1966 der Baustelle, und er setzte nie wieder einen Fuß auf australischen Boden.
Das Internationale Congress Centrum (ICC) in Berlin, geplant von dem Architektenehepaar Ralf Schüler und Ursulina Schüler-Witte, wurde in den 1970er-Jahren in nur vier Jahren Bauzeit errichtet. So weit, so gut. Die Baukostenexplodierten allerdings von ursprünglich 90 Millionen auf 924 Millionen DM, von den extrem hohen Betriebskosten, die seitdem für die Stadt anfallen, gar nicht zu reden.
Opernhaus von Sydney, Architekt Jørn Utzon
ICC Internationales Congress Centrum Berlin, Architekten Ralf Schüler und Ursulina Schüler-Witte
Das Prinzip ist fast so alt wie die Architektur selbst. Jedes ambitionierte Bauvorhaben steht am Anfang vor immer den gleichen Fragen und Aufgaben. Im Angesicht der Pyramiden öffneten Pharaonen ihre Schatzkammern, Kaiser und Päpste bedachten großzügig das Mehrgenerationenprojekt der Kathedralen, und damals wie heute träumt mancher Machthabende davon, sich in einem Grand Projet zu verewigen. Diese Visionen haben nur einen Haken: Sie müssen finanzierbar sein und bleiben. Erstaunlicherweise stehen zu Beginn eines Bauprojekts immer die Ambitionen der Bauherren im Gegensatz zu den Baukosten. Je größer der Wunsch, desto geringer sind dazu im Verhältnis die Kosten. Meistens ändert sich das schon bald.
Die Webfehler einer derart frisierten Kostenermittlung bzw. -aufstellung sind bei öffentlichen wie privaten Bauprojekten beileibe nicht nur in dem Geltungsbedürfnis der Auftraggeber zu suchen. Die Fehler haben oft viel unprätentiösere Ursachen. Wer beispielsweise einem Bauunternehmer einen Komplettauftrag erteilt, ohne dass ein architektonischer Entwurf vorliegt, muss sich nicht wundern, wenn die Baukosten und -zeiten ins Unermessliche steigen! Schlimm wird es auch, wenn der Bauherr kein Einvernehmen über die Größe seines Projekts erzielt, also gewichtiger planenlässt, als er es überhaupt bezahlen kann. Dann müssen irgendwann schmerzliche Einsparungen vorgenommen werden, die im Rückblick nicht selten peinlich aussehen.
Natürlich kauft keiner gern eine geschönte Wahrheit, ergo die Unwahrheit. Dennoch sind die meisten Aussagen zu Baukosten in der Konzeptphase eines Projekts reine Kosmetik, besonders wenn baufremde Parteien zu gewinnen sind wie zum Beispiel Politiker, die Bürger einer Stadt oder eines Landes. In einigen Fällen geht dies bis zum Selbstbetrug.
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