Black Box BER: Vom Flughafen Berlin Brandenburg und anderen Großbaustellen. Wie Deutschland seine Zukunft verbaut (German Edition)
sein Vielfaches sind das Grundmaß des Flughafens. Die Balance von Vielfalt und Einheit drückt sich in den Beton-Kolonnaden aus. Sie gliedern die Funktionsbereiche des Flughafens und grenzen sie voneinander ab. Das Gliederungsmotiv wiederholt sich inden sechs knapp 30 Meter hohen, sich nach oben hin verjüngenden Stahlsäulen, auf denen das Vordach des Terminals ruht. Es schützt die Reisenden vor der Witterung.
Sinnstiftend schließlich nenne ich unsere Orientierung am Genius Loci. Flughafenbetreiber in aller Welt versuchen, diesen einzufangen, indem sie ihr Baby auf den Namen einer historisch herausragenden Persönlichkeit taufen (zum Beispiel: Flughafen Berlin Brandenburg »Willy Brandt«). Dadurch soll der Flughafen geschichtliche Tiefe erhalten. Oder man bietet im Terminal lokale und regionale Spezialitäten an, um taktil und gustatorisch zwischen Nicht-Ort und der umgebenden Örtlichkeit Identität zu stiften. Für das »Gesicht« des gesichtslosen Nicht-Orts halten nicht selten Ausstellungen lokaler oder regionaler Kunst auf dem Flughafengelände her. Im Falle des Hauptstadtflughafens soll internationale Kunst am Bau – zum Beispiel Pae Whites »Magic Carpet«, Olaf Nicolais Perlenkette (»Gadget«), die »Open Sky Box« von Takehito Koganezawa – für ein identifizierbares Antlitz sorgen. gmp hat darüber hinaus Elemente der Berliner und Brandenburger Architektursprache verwendet, um dem Genius Loci Tribut zu zollen. Es sind dies Elemente des Potsdamer Barock, der Architektur Karl Friedrich Schinkels mit den zahlreichen Berliner Bauten, seines modernen Antipoden Mies van der Rohe mit der Neuen Nationalgalerie in Berlin. Hinzu kommen zentrale Architekturmerkmale des modernen Berlins, die Kolonnaden zum Beispiel sind ein häufig in Berlin und Brandenburgvorkommendes Motiv, und nicht zuletzt die Gartenarchitektur eines Peter Joseph Lenné. Die Grünzonen des Ensembles nehmen Bezug auf die märkische Landschaft, die Kiefern, Linden und Wiesenflächen, Oasen innerhalb der technischen Großstruktur eines Flughafens.
Gesamtlageplan des Flughafens Berlin Brandenburg »Willy Brandt« (IATA-Code BER)
Die sieben Plagen des Bauens
Anomalitäten und Konflikte sind im Bauwesen an der Tagesordnung. Fast jeder, der schon einmal ein Eigenheim gebaut hat, kennt die Kette unliebsamer Überraschungen, die im Vorhinein von niemandem erkannt und benannt wurden. Der Grund dafür – und das ist keine Entschuldigung für dergleichen – liegt in der Komplexität, Langwierigkeit und Schwerfälligkeit von Bauabläufen. Diese Zähigkeit der Materie gibt es seit dem Tag, an dem sich mehrere Menschenabsprachen, um ein und dasselbe Ding zu erbauen. Der Turmbau zu Babel mit seiner sprichwörtlichen Sprachverwirrung ist dafür ein beredtes Beispiel, gilt er doch historisch gesehen als die erste »Bausünde« der Menschheit. Er ist geradezu ein Paradebeispiel für menschliche Hybris, die bis heute die Turm-Metapher liebt und den Traum des »Höher, Schneller, Weiter« in immer kühnere Dimensionen treibt, und sei es nur aus Eitelkeit.
Spreche ich von den sieben Plagen des Bauens, so meine ich vorrangig folgende Unzulänglichkeiten, die gleich zu Beginn vieler Projekte auftreten:
Falsch definierte Bauaufgaben beziehungsweise unkonkrete und politisch umstrittene Wunschzettel.
Unrealistische Baukosten.
Unrealistische Zeitrahmen. In öffentlichen Bauprojekten richten sich Termine und Zeitrahmen nach Wahlperioden und Ämterlaufzeiten. Planungs-, Prüf- und Bauzeiten sowie notwendige Testphasen für einen einwandfreien Prozessablauf werden nicht nach beauftragter Arbeitskapazität innerhalb des deutschen Baurechts geplant, sondern nach Gutdünken festgelegt.
Mangelnde Kommunikation unter allen Beteiligten; jeder denkt, plant und handelt nur für sich. Architektur jedoch ist eine kollektive Kunst. Jegrößer und komplexer das Bauvorhaben ist (BER dürfte eines der größten in Deutschland sein), desto größer die Zahl der Spezialisten, auf deren Kommunikation es ankommt. Selbst ein hochrangiges großes Orchester braucht einen Dirigenten, um die Klangvielfalt einzelner Solisten zu einem harmonischen Konzert zu formen. Es gibt berühmte und weniger geschätzte Dirigenten. Keiner käme jedoch auf die Idee, Juristen, Aufsichtsbeamte, Banker oder Marketingstrategen an das Dirigentenpult zu stellen. Beim Flughafen Berlin Brandenburg waren vergleichbare Besetzungen gängige Führungspraxis.
Architekturfremde Gewerke und
Weitere Kostenlose Bücher