Black Box: Thriller (German Edition)
könnten Sie mal und sollten lieber wieder nach Hause fahren. Damals waren Sie allerdings noch ein Soldat, mutig und stark. Aber das ist jetzt neun Jahre her, und damals hatten Sie nichts zu verlieren. Der Gedanke, in zehn Jahren auf Bewährung rauszukommen, war damals Zukunftsmusik für Sie. Aber inzwischen sieht die Sache anders aus. Und wir reden jetzt über drei Morde mit derselben Waffe. Vor kurzem habe ich die Patronenhülse, die wir ’ 92 am Jespersen-Tatort gefunden haben, in die ATF -Datenbank eingegeben. Sie passt zu den Tatwaffen bei Regis und Vaughn. Drei Morde, alle mit derselben Waffe begangen – mit einer Beretta 92 .«
Bosch saß da und wartete auf eine Reaktion. Er wusste, dass Coleman inzwischen begriffen hatte, was er wollte.
»Da kann ich Ihnen nicht helfen, Mann«, sagte Coleman. »Sie können jetzt die Wärter rufen, dass sie mich holen kommen.«
»Wirklich? Ich kann Ihnen nämlich sehr wohl helfen.«
Bosch hob den Umschlag.
»Oder schaden.«
Er wartete.
»Ich kann dafür sorgen, dass Sie noch mal zehn Jahre hier einsitzen, bevor der Ausschuss auch nur in Erwägung zieht, Sie eventuell auf Bewährung rauszulassen. Ist es das, was Sie wollen?«
Coleman schüttelte den Kopf.
»Und wie lange, glauben Sie, würde ich in Freiheit überleben, wenn ich Ihnen helfe, Mann?«
»Nicht sehr lange. Da haben Sie völlig recht. Aber es braucht ja niemand etwas davon zu erfahren, Rufus. Ich verlange nicht von Ihnen, dass Sie vor Gericht aussagen oder eine schriftliche Aussage machen.«
Zumindest noch nicht,
dachte Bosch.
»Alles, was ich will, ist ein Name. Ganz unter uns, mehr nicht. Ich will wissen, wer den Mord in Auftrag gegeben hat. Wer hat Ihnen die Pistole gegeben und gesagt, Sie sollen Regis damit umlegen? Wem haben Sie die Pistole zurückgegeben, nachdem Sie den Auftrag ausgeführt haben?«
Coleman senkte den Blick auf den Tisch, während er nachdachte. Bosch wusste, er rechnete die Jahre gegeneinander auf. Selbst der stärkste Soldat stößt irgendwann an seine Grenzen.
»So einfach ist das aber nicht«, sagte er schließlich. »Der Auftraggeber redet nie direkt mit dem Schützen. Läuft alles über Mittelsmänner.«
Bosch hatte sich bei der Einheit für Bandenkriminalität informiert, bevor er nach San Francisco geflogen war. Dabei hatte er erfahren, dass die hierarchischen Strukturen der schon lange bestehenden Gangs von South Central denen paramilitärischer Organisationen glichen. Sie waren aufgebaut wie eine Pyramide, und deshalb war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ein ganz unten stehender Mann fürs Grobe wie Coleman nicht erfuhr, wer den Mord an Regis angeordnet hatte. Aus diesem Grund hatte Bosch nur gefragt, um Coleman auf die Probe zu stellen. Hätte er Bosch einen Namen genannt, hätte Bosch gewusst, dass er log.
»Na schön«, sagte Bosch. »Leuchtet mir sogar ein. Dann also zu der Pistole. Wer hat sie Ihnen gegeben, bevor Sie Regis erschossen haben, und wem haben Sie sie hinterher zurückgegeben?«
Coleman nickte, blickte aber nicht auf. Er blieb still, und Bosch wartete. Jetzt wurde es ernst. Deswegen war er hergekommen.
»Ich halte das nicht mehr aus«, hauchte Coleman.
Bosch sagte nichts und versuchte, ganz normal zu atmen. Coleman knickte ein.
»Ich habe eine Tochter«, fuhr er fort. »Sie ist praktisch eine erwachsene Frau, aber ich habe sie nie woanders gesehen als hier. Ich habe sie immer nur im Gefängnis gesehen, nirgendwo sonst.«
Bosch nickte.
»Das sollte nicht sein«, stimmte er zu. »Ich habe auch eine Tochter, und ich musste viele Jahre ohne sie leben.«
Jetzt bemerkte Bosch einen feuchten Schimmer in Colemans Augen. Der Gang-Soldat war zermürbt von den Jahren der Haft und der Schuld und der Angst. Sechzehn Jahre, in denen er ständig um sein Leben hatte fürchten müssen. Die Muskelpakete waren nichts weiter als die Tarnung eines gebrochenen Mannes.
»Sagen Sie mir den Namen, Rufus«, drängte Bosch. »Dann schicke ich den Brief ab. Wie abgemacht. Bekomme ich von Ihnen nicht, was ich will, kommen Sie hier nie mehr lebendig raus. Dann wird immer eine Glasscheibe zwischen Ihnen und Ihrer Kleinen bleiben.«
Weil die Hände in seinem Rücken angekettet waren, konnte Coleman nichts gegen die Träne tun, die seine linke Wange hinunterlief. Er senkte den Kopf.
»True Story«, murmelte er schließlich.
Bosch wartete. Aber Coleman sagte nichts weiter.
»Erzählen Sie sie«, sagte Bosch schließlich. »Ihre wahre Geschichte.«
»Was soll ich
Weitere Kostenlose Bücher