Black Box: Thriller (German Edition)
Ordner.
»Sehen Sie diesen Umschlag? Hier unten in der Ecke steht Ihre Häftlingsnummer. Er ist an den Bewährungsausschuss in Sacramento adressiert und bereits frankiert, so dass er umgehend aufgegeben werden kann.«
Bosch legte den Umschlag auf den Tisch und nahm die zwei Schreiben, mit jeder Hand eines. Er hielt sie so nebeneinander hoch, dass Coleman sie lesen konnte.
»Ich werde eins dieser zwei Schreiben in diesen Umschlag stecken und in einen Briefkasten werfen, sobald ich heute hier wegfahre. Welches, entscheiden allein Sie.«
Coleman beugte sich vor, und Bosch hörte die Kette gegen die Lehne seines Metallstuhls schlagen. Coleman war so muskulös, dass es aussah, als trüge er den Schulterschutz eines Linebackers unter seinem grauen Gefängnisoverall.
»Was quatschen Sie da, Fünf-Null? Ich kann diesen Scheiß nicht entziffern.«
Bosch lehnte sich zurück und drehte die zwei Briefe so herum, dass er sie lesen konnte.
»Also, diese beiden Schreiben sind an den Bewährungsausschuss adressiert. Eines äußert sich sehr lobend über Sie. Dort steht zum Beispiel, dass Sie die Taten, die Sie begangen haben, bereuen und mit mir kooperiert haben, um zur Aufklärung eines lange ungelösten Mordfalls beizutragen. Es endet damit …«
»Einen Scheiß werde ich mit Ihnen kooperieren, Mann. Ich verpfeife niemand. Passen Sie also auf, was Sie sagen.«
»Es endet mit einer Empfehlung von mir, Ihrem Antrag auf Bewährung stattzugeben.«
Bosch legte das Schreiben auf den Tisch und wandte seine Aufmerksamkeit dem anderen zu.
»Das zweite hier ist nicht so vorteilhaft für Sie. Hier steht nichts von Reue. Hier steht, dass Sie sich geweigert haben, bei den Ermittlungen zu einem Mord, zu dem Sie wichtige Informationen beisteuern könnten, zu kooperieren. Und schließlich steht hier, dass der Gang Intelligence Unit des LAPD , also der LAPD -Einheit für Bandenkriminalität, Informationen vorliegen, denen zufolge die Rolling Sixties bereits auf Ihre Haftentlassung warten, damit Sie ihnen wieder als Mann fürs Grobe zur Verfügung …«
»Stimmt doch überhaupt nicht! Alles erstunken und erlogen! So einen Scheiß können Sie denen nicht schicken!«
Bosch legte das Schreiben seelenruhig auf den Tisch und begann es zu falten, um es in den Umschlag schieben zu können. Er sah Coleman ausdruckslos an.
»Sie glauben also, Sie können mir erzählen, was ich tun kann und was nicht? Ah-ah, Rufus, so läuft das hier nicht. Sie geben mir, was ich will, und ich gebe Ihnen, was Sie wollen. So läuft das hier.«
Bosch strich mit dem Finger über die Falten des Schreibens und machte sich daran, es in den Umschlag zu stecken.
»Welchen Mord meinen Sie überhaupt?«
Bosch schaute zu Coleman auf. Das war das erste Einlenken. Bosch fasste in die Innentasche seines Jacketts und zog das Foto von Jespersen heraus, das er sich von ihrem Presseausweis kopiert hatte. Er hielt es so, dass Coleman es sehen konnte.
»Eine Weiße? Über eine ermordete Weiße weiß ich nichts.«
»Habe ich ja auch nicht behauptet.«
»Was soll dann das Ganze? Wann ist sie umgebracht worden?«
»Am 1 . Mai 1992 .«
Coleman rechnete nach, schüttelte den Kopf und grinste, als hätte er einen Behinderten vor sich.
»Da sind Sie an der falschen Adresse. 1992 habe ich meine fünf Jahre in Corcoran abgesessen. Also, was soll der Scheiß,
Dee
-tective?«
»Ich weiß sehr genau, wo Sie ’ 92 waren. Glauben Sie, ich würde extra herkommen, ohne alles über Sie zu wissen?«
»Ich kann nur sagen, dass ich absolut nichts mit dem Mord an einer Weißen zu tun habe.«
Bosch schüttelte den Kopf, als wollte er zum Ausdruck bringen, dass er das ja gar nicht bestritt.
»Dürfte ich es Ihnen vielleicht kurz erklären, Rufus? Es gibt hier nämlich noch jemanden, mit dem ich sprechen möchte, und anschließend muss ich es rechtzeitig zum Flughafen schaffen. Hören Sie mir also zu?«
»Ich höre zu, Mann. Rücken Sie endlich raus damit.«
Bosch hielt das Foto erneut hoch.
»Wie gesagt reden wir hier von einem Vorfall, der zwanzig Jahre zurückliegt. Er hat sich in der Nacht vom 30 . April auf den 1 . Mai 1992 ereignet; das war der zweite Abend der Unruhen in L.A. Anneke Jespersen aus Kopenhagen war damals mit ihren Kameras auf dem Crenshaw unterwegs, um für ihre Zeitung in Dänemark Fotos zu machen.«
»Was will so jemand in South Central? Sie hatte dort nichts verloren.«
»Das frage ich mich allerdings auch, Rufus. Aber sie war nun mal da. Und jemand hat sie
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