Black Box: Thriller (German Edition)
es die Sixties selbst waren. Jemand knapp unter der Spitze der Pyramide hat wohl gemeint, Tru Story müsste weg, und deshalb kam er auch weg. Langer Rede kurzer Sinn, es könnte dieselbe Waffe sein, nach der du suchst. Es wurden weder eine Kugel noch eine Patronenhülse gefunden, aber die Wunde würde zu einer Neun-Millimeter passen, und nachdem jetzt auch noch Coleman oben in Q deine Beretta Tru Story in die Hand gedrückt hat, hört sich die Sache noch besser an.«
Bosch nickte. Das hörte sich alles einleuchtend an.
»Aber das GED hat nie rausgefunden, worum es dabei ging?«
Gant schüttelte den Kopf.
»Nein, nicht mal annähernd. Du musst dir vor allem eins klarmachen, Harry. Am verwundbarsten ist die Pyramide an der Basis. Auf der Straße. Dort ist sie auch am deutlichsten sichtbar.«
Damit brachte er zum Ausdruck, dass sich die Aktivitäten des GED hauptsächlich auf Kleindealer und Straßenkriminalität beschränkten. Wenn ein Gang-Mord nicht in achtundvierzig Stunden aufgeklärt werden konnte, gab es bald einen neuen, mit dem sich die Einheit befassen musste. Es war auf beiden Seiten ein Zermürbungskrieg.
»Das heißt …«, sagte Bosch. »Aber noch mal zurück zu dem Mord an Walter Regis, zu dem, der auf Rufus Colemans Kappe geht und für den er ’ 96 verurteilt wurde. Er hat gesagt, er hat die Tatwaffe und die entsprechenden Anweisungen von Tru Story bekommen und ihm die Waffe wieder zurückgegeben, nachdem er den Auftrag ausgeführt hat. Er hat aber auch gesagt, dass es nicht Storys Idee war, Regis umzulegen. Dass auch er nur auf Anweisung gehandelt hat. Haben wir also eine Vermutung, wer tatsächlich dahintersteckt? Wer von den Rolling Sixties hat damals, ’ 96 , den Auftrag für den Mord erteilt?«
Wieder schüttelte Gant den Kopf. Das tat er ziemlich oft.
»Das war vor meiner Zeit, Harry. Damals war ich noch in Southeast in einem Streifenwagen unterwegs. Und ehrlich gesagt waren wir damals ganz schön blauäugig. Das war, als wir ihnen noch mit CRASH beizukommen versucht haben. Kannst du dich noch an CRASH erinnern?«
Das konnte Bosch. Die explosionsartige Zunahme der Gangs und der damit einhergehenden Gewalt erfolgte mit demselben Tempo wie die Ausbreitung der Crack-Epidemie in den achtziger Jahren. Das LAPD war in South Central total überfordert und reagierte mit einem Programm, das sich Community Resources Against Street Hoodlums nannte, Gemeinschaftliche Maßnahmen gegen Straßenkriminalität. Das Programm hatte eine originelle Abkürzung, und böse Zungen behaupteten, dass sie mehr Zeit darauf verwendet hatten, sich diesen Namen auszudenken, als ein vernünftiges Konzept zu erarbeiten. CRASH setzte in den unteren Bereichen der Pyramide an. Es störte die Straßengeschäfte der Gangs, drang aber selten bis in die Spitze vor. Wie auch? Die Straßensoldaten, die Drogen verkauften und Vergeltungs- und Einschüchterungsaktionen durchführten, wussten selten etwas, das über ihren aktuellen Auftrag hinausging, und meistens rückten sie nicht einmal das heraus.
Es waren lauter junge Kerle, die aus der Anti-Polizei-Schmiede von South L.A. hervorgegangen waren. Sie wurden mit Rassismus und Drogen geimpft, gesellschaftliche Gleichgültigkeit und die Erosion traditioneller Familien- und Bildungsstrukturen taten ihr Übriges – und dann wurden die jungen Männer auf die Straße losgelassen, wo sie an einem Tag mehr verdienen konnten als ihre Mütter in einem Monat. Bestätigt wurden sie von den Rap-Botschaften, die aus jedem Ghettoblaster und Autoradio drangen und die lauteten: Scheiß auf die Polizei und den Rest der Gesellschaft. Ein neunzehnjähriges Gang-Mitglied in ein Vernehmungszimmer zu setzen und es dazu zu bringen, den nächsten in der Reihe hinzuhängen, war ungefähr genauso einfach, wie mit bloßen Fingern eine Büchse Erbsen zu öffnen. Der Junge wusste nicht, wer der Nächste in der Reihe war, und wusste er es doch, hängte er ihn nicht hin. Das Gefängnis wurde als Erweiterung des Gangsterlebens betrachtet, als Teil eines Reifungsprozesses und als Möglichkeit, sich für die Gang verdient zu machen. Mit der Polizei zu kooperieren brachte nichts. Es zog nur Nachteile nach sich – die Feindschaft der großen Gang-Familie, die unweigerlich mit einem Todesurteil einherging.
»Das heißt also nichts anderes«, sagte Bosch, »als dass wir nicht wissen, für wen Trumont Story damals gearbeitet hat oder woher er die Pistole hatte, die er Coleman gegeben hat, um Regis zu
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