Black Cats 01. Was kostet der Tod
begleitete. Jede neue Aussage, die bestätigte, was für ein Mensch sie gewesen war, bestärkte ihn in der Überzeugung, dass Ambers Charakter bei der Ermittlung eine zentrale Rolle spielte. Der Grund dafür lauerte im hintersten Winkel seines Hirns.
»Nach der Adresse des Mädchens zu urteilen, ist die Familie ziemlich wohlhabend. Einmal mehr hat er sich nicht die Mühe gemacht, sich eine Frau zu schnappen, die niemand vermissen würde«, bemerkte Mulrooney, als sie zu dem kleinen Sicherheitsbüro hinübergingen. Stokes lief auf seiner anderen Seite und trug eine Tüte mit Beweismaterial, in der sich auch die 22er-Patronenhülsen befanden. Sie hatten sie in dem schmalen Waldstreifen gefunden, der den exklusiven Konsumtempel säumte. Stokes würde sie mit nach D. C. nehmen, damit sie dort analysiert werden konnten. Keiner von ihnen zweifelte daran, dass sich herausstellen würde, dass sie aus demselben Gewehr stammten wie im dritten Fall, bei dem die Kameras ebenfalls zerschossen worden waren.
»Stimmt, das hat er nicht«, brummte Dean. »Er hat nicht mal ihr Handy aufgehoben oder ihr Auto weggefahren.«
»Entweder hatte er es eilig, oder er wähnte sich in Sicherheit, weil er die Kameras und die Parkplatzbeleuchtung zerstört hatte.« Mulrooney, der nicht ganz in Form war, keuchte ein bisschen, während sie zu dritt durch das stille Einkaufszentrum schritten. An diesem sommerlichen Sonntagnachmittag war es wie leer gefegt. Nun ja, bis auf die Journalistenteams, die emsig nach schmutzigen Details schnüffelten und die kleinste Information, egal, ob sie bewiesen war oder nicht, in die Welt posaunten.
»Er konnte sich nicht darauf verlassen, dass die Wachmänner längere Zeit damit beschäftigt sein würden, dem Kaufhausalarm nachzugehen«, antwortete Dean. Dem Alarm, den zweifellos der Täter ausgelöst hatte.
Jackie führte seinen Gedanken zu Ende. »Und auch nicht darauf, dass sie alle dorthin gehen würden. Einer von ihnen hätte vielleicht auch seine verdammte Arbeit tun und zurückbleiben können.«
Seltsam, wie rasch sich die drei aufeinander eingespielt hatten. Sie hatten sofort einen gemeinsamen Rhythmus für ihre Arbeit gefunden, für ihren ersten großen Fall. Jede Möglichkeit wurde in Betracht gezogen, wurde auf Stärken und Schwächen abgeklopft, und das Ganze geschah mit professionellem gegenseitigem Respekt, den man sich im ViCAP erst über Jahre hatte verdienen müssen. Aus Blackstones CAT s wurde bereits ein Team – und das schloss auch Lily und Brandon ein, denen die Telefonhörer inzwischen schon aus den Ohren wachsen mussten, so viel hatten sie in den letzten Tagen miteinander telefoniert.
Mulrooney überlegte: »Wenn einer von ihnen dageblieben wäre, hätte der vielleicht bemerkt, dass die Übertragungen vom anderen Ende des Einkaufszentrums eine nach der anderen ausfielen. Vielleicht wäre er hingegangen, um nach dem Rechten zu sehen, bevor der Täter Amber hätte überwältigen können.«
Möglich. Aber der Kerl hatte schnell gehandelt. Und er war ein ausgezeichneter Schütze.
Was bei Dean die Frage aufwarf, ob Stan Freed ein Gewehr besaß. Und die noch dringlichere Frage, was für Waffen Warren Lee da draußen in seinem Haus hortete.
»Ist euch aufgefallen, was für ein heikles Persönchen er sich diesmal ausgesucht hat?«
»Mh-hmm.« Natürlich war Dean das aufgefallen. Und plötzlich rastete das Detail, das ihm die ganze Zeit im Kopf herumgeschwirrt war, an der richtigen Stelle ein. Abrupt blieb er stehen, mitten im Einkaufszentrum. »Jackie, du hast doch erzählt, dass bei den anderen Fällen die Befragungen zu den Opfern alle darauf hindeuteten, dass sie eher anstrengende Zeitgenossen waren.«
Jackie nickte. »Ja. Sie wurden als eigensinnig bezeichnet. Was ich als zickig interpretiert habe.«
Genau wie Amber. Das war die Verbindung. »Wir dachten die ganze Zeit, dass sie sich von Lisa nur deswegen unterschieden haben, weil sie finanziell und sozial anders gestellt waren – nicht wegen ihrer Persönlichkeit.«
Mulrooney begriff, worauf er hinauswollte. »Er muss also bei allen gewusst haben, wie sie so drauf waren.«
Dean nickte. »Ja. Aber wie konnte er so viel über sie herausfinden?«
»Nur, indem er sie beschattet hat.«
Treffer.
Sie wussten, dass bei einem der anderen Fälle eine Freundin von einem seltsamen Mann erzählt hatte, der das Opfer einige Wochen, bevor es verschwand, beobachtet hatte. Sie hatten bereits vermutet, dass er seine Opfer schon im Voraus danach
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