Black Cats 01. Was kostet der Tod
Covey.«
Meine Güte, war es zu viel verlangt, ein paar Minuten zu spät zur Arbeit kommen zu dürfen, ohne dass gleich jemand öffentlich einen Kommentar dazu abgab?
Du wolltest es so. Du hast es dir ausgesucht.
Stimmt. Hatte sie. Vor ungefähr zwei Jahren, als ihr Vater mitten in seiner Amtszeit in Frührente gegangen war, weil er wegen seiner Arthritis nicht einmal mehr vom Auto zum Revier gehen konnte. Damals hatte sie die Einladung der Stadt angenommen, zurückzukommen und in seine Fußstapfen zu treten. Es war genau der richtige Zeitpunkt gewesen, wenn sie überlegte, was sie damals gerade durchgemacht hatte. Und sie bereute es nicht.
Aber, Menschenskinder, ihr Vater hatte große Fußstapfen hinterlassen. Und vor ihm war schon sein eigener Vater auf denselben Pfaden gewandelt. Seit vierzig Jahren trug der Sheriff dieses Bezirks den Namen Rhodes. Die ersten beiden waren allerdings Männer gewesen – ein Umstand, an den sie einige Leute im Ort immer wieder erinnerten, nicht zuletzt der kleingeistige Wichtigtuer in der Bank und dieser Aufschneider von Bürgermeister.
Stacey bezweifelte, dass sie ihrem Vater gegenüber auch nur ein Wort geäußert hätten oder ihrem älteren Bruder gegenüber, von dem alle angenommen hatten, dass er den Job übernehmen würde – bis er zu den Marines gegangen war und ihre Pläne durchkreuzt hatte. »Vielleicht kriegt ihr nächstes Mal den richtigen Sheriff«, murmelte Stacey und presste die Lippen zusammen. Denn Tim war nach zwölf Jahren beim Militär zurückgekehrt, und jetzt fanden einige Leute, sie sollte eine nette Schwester sein und ihm bei den nächsten Wahlen in ein paar Monaten den Vortritt lassen. Vor allem angesichts seiner Verletzungen.
Stacey hatte gute Arbeit geleistet; auch die größten Chauvinisten der Stadt mussten das zugeben. Aber trotz allem war sie schließlich nur eine Frau. Und Tim, auch wenn es ihm an Erfahrung mangelte und Stacey einen Abschluss auf der Polizeischule sowie sechs Jahre bei der Virginia State Police in Roanoke vorzuweisen hatte, war offensichtlich der bessere Rhodes für diesen Job.
Weil er was zwischen den Beinen hatte und sie nicht. Jedenfalls nicht oft. Während sie bei diesem Gedanken noch die Stirn runzelte, betrat sie das Revier.
»Hey, Stace.« Connie, Sekretärin, Rettungsleitstelle und Notrufannahme in Personalunion, saß am Empfang und trug ein breites Lächeln und eine Fönfrisur zur Schau. »Ist jetzt schon kaum auszuhalten draußen, wie?«
»Jupp.« Stacey legte die Donuts auf Connies Tisch und verspürte wenig Lust zu erzählen, was sie heute Morgen schon alles durchgemacht hatte. »Hoffentlich geht das nicht bis zum Wochenende so. Ansonsten werden sie uns jede Stunde raus zu Dicks Taverne rufen.«
»Und wieso wäre das anders als an jedem anderen Wochenende?«
Wie recht sie hatte! »Wie geht es Dad heute Morgen?«
»Ach, gut. Er bleibt drinnen, wo es klimatisiert ist.« Connie schlug die Augen nieder und hantierte mit Papierstößen. »Ich bin kurz vorbeigefahren und hab ihm auf dem Weg zur Arbeit etwas zu essen vorbeigebracht.«
Klar doch. Stacey unterdrückte ein Lächeln – sie wollte die ältere Dame nicht in Verlegenheit bringen. Die 56-jährige Connie kümmerte sich nicht nur im Büro des Sheriffs um geordnete Abläufe und gute Stimmung; für Staceys Vater tat sie das Gleiche. Seit seiner Pensionierung waren sie ein Paar – sie waren beide zu konservativ gewesen, um etwas miteinander anzufangen, während sie noch zusammenarbeiteten. Nun allerdings schienen sie bereit für den nächsten Schritt.
»Ist heute schon irgendetwas vorgefallen?«
»Warren Lee hat wieder den Hund seines Nachbarn bedroht.«
Stacey stöhnte. »Wann tut er das nicht?«
»Was hat er eigentlich auf diesem riesigen Grundstück zu verbergen?«, fragte Connie. »Man könnte meinen, dass er es an einen dieser Stadtentwickler verkaufen, ein Vermögen damit machen und in irgendeinem Dritte-Welt-Land seine eigene Armee aufstellen will.«
Der ehemalige Sergeant lebte am Stadtrand auf einem wunderschönen Grundstück, dessen Aussicht dem Skyline Drive im Shenandoah-Nationalpark Konkurrenz machte. Aber sein Haus war hinter einem dichten Wald verborgen und das ganze Anwesen von einem zwei Meter hohen, stacheldrahtbesetzten Zaun umgeben. Die Schilder, auf denen Dinge wie Zutritt verboten und Vergiss den Hund, hüte dich vor dem Besitzer! standen, machten nicht gerade einen einladenden Eindruck. Die meisten Leute hatten schnell gemerkt, dass
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