Black Cats 01. Was kostet der Tod
etwas antut.«
Dean hielt den Mund, denn er verstand, warum Stacey die Wahrheit für sich behielt. Um ihretwillen und um Mr Rhodes’ willen hoffte er, dass sie es ihm nie würde erzählen müssen.
Es gab noch etwas, das sie ihm gegenüber nicht erwähnten: dass das Leben eines Kindes in Gefahr war. Sie wollten ihn nicht noch mehr unter Druck setzen. Obwohl Mr Rhodes ein kluger, kompetenter Mann war, wollte seine Tochter ihn offensichtlich beschützen. Als hätte sie die Rolle der besorgten Mutter übernommen, weil er körperlich nicht mehr ganz auf der Höhe war.
Sein feines Lächeln und sein gelegentliches Augenrollen verrieten, dass er sich dessen bewusst war. Und dass er es sich gefallen ließ.
Stacey mochte glauben, dass sie allen etwas vormachte, indem sie sich abgebrüht und unbeeindruckt gab. Aber in ihr steckte eine liebevolle, fürsorgliche Frau. Das hatte er gespürt. Er hatte es erlebt.
Er wusste auch, warum sie sich bemühte, das zu verbergen.
Es lag nicht nur an ihrem Job. Stacey wollte sich selbst schützen, den emotionalen Zusammenbruch überwinden, den sie nach den Ereignissen an der Virginia Tech vermutlich durchgemacht hatte. Sie hatte nicht darüber geredet. Das war auch nicht nötig gewesen. Er hatte die Berichte gesehen, die Bilder, hatte die Reportagen gelesen. Die Virginia State Police war nicht unmittelbar nach den Ereignissen vor Ort gewesen, aber sie war nur wenige Stunden nach dem Massaker auf dem Campus angelangt.
Stacey hatte Dinge gesehen, die jedem normalen Menschen den Seelenfrieden rauben würden. Und jetzt hatte der Fall mit dem Sensenmann noch das Seine dazu beigetragen.
Die Schießereien auf dem Universitätsgelände hatten sie zu der Entscheidung veranlasst, hierher zurückzukehren. Ihr Bedürfnis, alle auf Distanz zu halten, ihr Einzelgänger-Dasein, ihre Weigerung, an eigene Kinder zu denken – all das hing damit zusammen. Mit ihrem Weinkrampf in Deans Armen am Samstagabend hatte sie angefangen, ihren Gefühlen wieder freien Lauf zu lassen. Das war ein kleiner Hinweis, dass sie inzwischen vielleicht bereit war, sich mit ihnen auseinanderzusetzen.
Er fragte sich bloß, ob sie zulassen würde, dass er lange genug in ihrer Nähe blieb, damit er zur Stelle war, wenn sie sich von alldem löste und beschloss, ihr Leben weiterzuleben.
Er hoffte es. Es war total verrückt, dass er so etwas empfand, obwohl er sie erst seit einer Woche kannte. Aber er hoffte es wirklich. Denn er ahnte, dass er mit ihr an seiner Seite auch sein eigenes Leben auf ein neues Fundament stellen konnte.
»Sie glauben tatsächlich, dass ich da jemanden aus Hope Valley entdecken werde?«, fragte Mr Rhodes. Er saß an seinem Küchentisch und schaute zu, wie Stacey die Filmdatei öffnete und zu der Stelle spulte, an der sie abgebrochen hatten.
»Ich weiß es nicht, Sir. Die Möglichkeit besteht.«
»Das sind Aufnahmen aus einem Kaufhaus«, sagte er mit einem Kopfnicken. Mit leiser Stimme fragte er: »Hat das etwas mit dem jungen Mädchen aus Maryland zu tun, dessen Leiche sie am Montag im Wald gefunden haben?«
Stacey hatte ihm das Wesentliche erzählt, aber alles, was darüber hinausging, hatte sie offensichtlich für sich behalten. Genau wie sie versprochen hatte.
Dean nickte kurz.
Mr Rhodes schüttelte sichtlich angewidert den Kopf. »Ich werde mir die Augen mit Zahnstochern offen halten, wenn es sein muss. Ich verspreche euch, ich werde kein einziges Gesicht übersehen.«
»Danke, Dad«, sagte Stacey, beugte sich vor und küsste ihn auf die Wange. »Normalerweise würde ich dich bitten, es langsam angehen zu lassen und es nicht zu übertreiben. Aber diesmal … «
Er tätschelte ihr die Hand. »Ich werde es so vorsichtig wie möglich übertreiben.«
Nachdem er sich ebenfalls bei ihm bedankt hatte, verabschiedete sich Dean von Mr Rhodes, trat aus der Haustür und blieb auf der Veranda stehen. Einen Moment später kam auch Stacey heraus.
»Hier bist du also aufgewachsen, was?«, sagte er und betrachtete die von grünen Wiesen bedeckten Hügel. Die riesigen Bäume, ein Teich am Fuße einer naheliegenden Böschung und die alte rote Scheune in der Ferne vermittelten ihm das Gefühl, mitten in einem typisch amerikanischen Gemälde zu stehen.
Vielleicht passte das ja alles zu ihrem Vater. Vielleicht hatte es früher einmal auch zu ihr gepasst. Aber jetzt passte es nicht mehr.
»Meine Großeltern haben das Haus gebaut.« Sie ging die Treppe hinunter und zog die Autoschlüssel aus der
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