Black Cats 01. Was kostet der Tod
brauchte er sich hoffentlich erst in ferner Zukunft den Kopf zu zerbrechen. Jetzt musste er erst einmal die nächsten paar Tage überstehen, so schwierig das auch werden mochte. Er musste zulassen, dass er ein letztes Mal manipuliert wurde.
»Und dann nie wieder«, sagte er zu sich selbst, während er über den Spielplatz schlenderte. Ein langweiliger, realer Spielplatz. Er war nicht besonders groß – es gab nur ein paar quietschende Schaukeln und ein Klettergerüst – und lag in einer kleinen Stadt zwischen seinem Zuhause und Leesburg.
In der letzten Stunde war er zweimal daran vorbeigefahren. Nur zweimal. Er durfte nicht riskieren, dass sich jemand an ihn erinnerte, wenn erst einmal ein Kind verschwunden war. Etwas so Gefährliches hatte er noch nie getan. Für seinen Geschmack war der Spielplatz nicht weit genug weg von seinem Heimatort. Aber er hatte keine Zeit – und keine Wahl.
Es war eigenartig, wie wohlgesonnen ihm das Schicksal war. Denn normalerweise hatte er nie seine Ruhe, bis er sich einschloss und in den Playground verschwand. Aber jetzt war das Haus für mindestens ein paar Tage leer. Er konnte also das, was er tun musste, ganz in Ruhe erledigen, ohne dass ihn jemand dabei erwischen konnte. Er würde sich einen Jungen schnappen, ihn betäuben, zu sich nach Hause fahren und ihn dann in den Keller schmuggeln. In seinen privaten Bereich.
Es war niemand da, der ihn dabei sehen konnte. Niemand, der etwas hören konnte. Niemand, der ihn aufhalten konnte.
Es war perfekt. Als ob irgendeine Macht ihm für seine Pläne stillschweigend Anerkennung zollte und wollte, dass er weitermachte.
Er musste nur noch den Jungen finden.
Bis jetzt hatte er keinen entdeckt, der für ihn infrage käme. Heutzutage waren die Leute ziemlich argwöhnisch, wenn es um ihre Kinder ging. Mütter saßen auf Bänken, von denen aus sie den ganzen Platz überblicken konnten, fütterten verschmierte Babys und riefen ihren Gören dann und wann ein »Sei vorsichtig!« zu. Einerseits wäre er am liebsten zum nächsten geeigneten Ort gefahren, um ein schutzloses Opfer zu finden – in einer Spielhalle oder einem Schwimmbad, in einem Park.
Andererseits wollte er am liebsten ohne große Umstände zu Warren Lee rüberfahren und ihm eine Kugel in den Hinterkopf jagen.
Eigentlich konnte er genauso gut eine Münze werfen. Entweder – oder, was auch immer sich zuerst anbot. Ein Kind töten. Einen Erpresser töten.
Es war wirklich nicht besonders schwer. Aber er durfte kein Risiko eingehen. Er musste sich auf beide Varianten gut vorbereiten.
Er schluckte den Widerwillen hinunter, den er gegen die ganze Angelegenheit hegte, denn er wusste, dass er es hinter sich bringen musste. Das bedeutete nicht, dass er es genießen würde. Oder dass er womöglich vorhatte, alles zu tun, was der Käufer verlangte. Er würde keinen kleinen Jungen vergewaltigen. So etwas machten nur kranke Spinner.
Er würde dafür sorgen, dass es vor der Kamera echt aussah, aber er würde Gnade walten lassen. Er würde dem Jungen irgendetwas geben, damit er nicht allzu starke Schmerzen empfand. Und er würde ihn schnell töten.
Schließlich war er kein Unmensch.
Dean mochte Staceys Vater auf den ersten Blick. Der ältere Herr war gerade einmal Anfang sechzig und hatte ein jugendliches Gesicht – und eine ebenso jugendliche Ausstrahlung. Aber seine geschwollenen Gelenke und seine bedächtigen Bewegungen verrieten, warum er so früh in Rente gegangen war.
Dennoch war er lange Jahre ein Mann des Gesetzes gewesen – erst als Deputy seines eigenen Vaters, dann als Sheriff – , und er dachte immer noch in denselben Bahnen. Daher bot er nicht nur umgehend an, sich sämtliche Videoaufnahmen der Überwachungskameras aus dem Einkaufszentrum anzusehen. Er konnte ihnen auch noch bei etwas anderem weiterhelfen.
Wie jeder richtig gute Polizist hatte er während all seiner Jahre im Amt Aufzeichnungen gemacht. Diese Aufzeichnungen besaß er noch immer. »Ich kann euch nichts versprechen«, sagte er zu Dean und Stacey, als sie den Laptop auf seinem Küchentisch auspackten. »Aber ich werde sie hervorholen und mal durchblättern, um zu sehen, ob ich irgendwelche Fälle von Tierquälerei vermerkt habe. Nur weil ich mich nicht sofort daran erinnern kann, muss das nicht heißen, dass es nicht passiert ist.« Er schüttelte traurig den Kopf und erklärte Dean: »Ich habe vor Kurzem meinen Hund verloren, wissen Sie. Ich kann einfach nicht fassen, dass jemand einem wehrloses Tier so
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