Black Cats 01. Was kostet der Tod
vorzunehmen, die nötig waren. Wie so oft in letzter Zeit hatte ihr Bruder nichts getan, als sich zurückzuziehen, zwischen Wutanfällen und Trauer hin- und herzuschwanken und jeden anzufauchen, der auch nur versuchte, ihm zu helfen.
Jetzt hatte Tim seine eigene kleine Wohnung, und ihr Vater lebte wieder allein. Aber er würde niemals ausziehen. Staceys Familie hatte hier fünfzig Jahre lang gewohnt – seit ihre Großeltern in dieses Haus eingezogen waren. Und obwohl Stacey sich manchmal Sorgen um ihren Vater machte, weil er so weit außerhalb lebte und der nächste Nachbar drei Kilometer entfernt war, konnte sie sich nicht vorstellen, dass er jemals woanders wohnen könnte.
Sie stützte die Ellbogen aufs Geländer und blickte zu dem dichten Wald, dem See und der alten roten Scheune hinüber. Dann hörte sie das Kratzen von Pfoten auf den Stufen und bemerkte, dass sie Gesellschaft bekommen hatte. »Na, altes Mädchen«, murmelte sie lächelnd. »Machst du mal wieder die Gegend unsicher?«
Sie beugte sich hinunter, um die müde alte Hündin zu kraulen, die im Winter vor ein paar Jahren plötzlich auf der Veranda ihres Vaters aufgetaucht und mehr oder minder dageblieben war. Ursprünglich hatte ihr Vater seinen unerwarteten Gast Streuner genannt, weil er immer wieder auf Wanderschaft ging. Dann hatten sie festgestellt, dass er ein Weibchen war. Aber sie streunte immer noch umher.
»Nimm es Connie bitte nicht übel, dass sie mir davon erzählt hat«, sagte ihr Vater, als er zu ihr ans Geländer trat. Sie hatte nicht einmal gehört, dass er zurückgekommen war.
»Ich habe mir schon gedacht, dass sie das tun würde.«
»Sie ist keine Tratschtante. Außer mir hat keiner davon erfahren.«
»Ich weiß.« Sie nahm die Tasse, die er ihr entgegenhielt, machte es sich auf einem der Korbschaukelstühle neben der Tür bequem und wartete darauf, dass er sich neben sie setzte. Der Hund rollte sich zu Füßen ihres Vaters zusammen und legte den Kopf auf seine Lederpantoffeln.
»Was hat sie dir denn erzählt?« Offen gestanden war Stacey sich nicht sicher, wie viel Connie eigentlich wusste – ob sie an der Tür gehorcht hatte oder nur ein paar Vermutungen anstellte.
»Dass das FBI da ist, um nach der Leiche von Lisa Zimmerman zu suchen.« Seine großen, kräftigen Hände, ganz knotig von der rheumatoiden Arthritis, die ihn gezwungen hatte, vorzeitig in Ruhestand zu gehen, schlossen sich fester um die Armlehnen seines Stuhls. »Dass es ein Video davon gibt, wie sie umgebracht wird, und dass du es dir anschauen musstest.«
An der Tür gelauscht. Gott sei Dank war das Video ohne Ton gewesen.
Sie nahm einen Schluck von ihrem Kaffee und versuchte zu entscheiden, wie viel sie ihm erzählen konnte. Ihr Vater war nicht einfach nur ein unbeteiligter Dritter; er war in dieser Stadt über zwanzig Jahre lang Sheriff gewesen und hatte außerdem mehr als sechs Jahrzehnte hier gewohnt. Sie vertraute ihm wie keinem anderen Menschen auf diesem Planeten.
Was noch wichtiger war, er kannte jeden in diesem Bezirk. Und obwohl es ihm wahrscheinlich ebenso schwerfiel wie ihr, sich vorzustellen, dass irgendjemand davon ein Serienmörder sein könnte, war es vielleicht hilfreich, wenn ein zusätzliches Augenpaar nach möglichen Verdächtigen Ausschau hielt.
»Es wird nicht leicht für dich sein, dir das anzuhören«, warnte sie ihn. »Ich weiß, dass du mit Lisa Zimmermans Vater befreundet warst.«
Mit einem kurzen Nicken gab er ihr zu verstehen, dass er auf das gefasst war, was sie ihm zu sagen hatte.
Also erzählte sie es ihm. Wie Lisa gestorben war, an welcher Stelle und zu welchem Zeitpunkt. Sie berichtete ihm alles, was das FBI zu diesem Fall wusste. Mit Rücksicht auf Dean und sein Team bemühte sie sich, Einzelheiten über die anderen Mordfälle auszusparen und sich auf die Fakten zu beschränken, die Hope Valley betrafen.
Die waren für jeden normalen Menschen sowieso schon schwer genug zu verdauen. Stacey hielt es nicht für notwendig zu beschreiben, was diese sieben anderen Frauen hatten erleiden müssen. Sie selbst hatte es erst gestern Abend im Detail erfahren, und ihr war gleich wieder schlecht geworden.
Als sie schließlich aufhörte zu sprechen, war ihrem starken, unerschütterlichen Vater alle Farbe aus dem Gesicht gewichen, und seine Augen schimmerten. »Grundgütiger!«
»Tja.«
»Das arme Ding. Ihre Mutter wird daran zerbrechen.«
»Ich weiß.«
Er schwieg, während er sich alles durch den Kopf gehen ließ und dabei
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