Black Cats 01. Was kostet der Tod
Arbeit geholt.«
Er lächelte sarkastisch. »Na sicher, diese Wäschewagen haben riesige Fäuste, nicht wahr?«
In Gedanken versunken flüsterte Stacey: »Bei Lisa habe ich nie blaue Flecken bemerkt. Aber vielleicht war es eine andere Art von Missbrauch.«
Ihr Dad ballte die Fäuste, obwohl ihm das furchtbare Schmerzen bereiten musste. »Ich habe sie mal danach gefragt, als sie noch ein Teenager war.«
Vor Erstaunen fiel Stacey die Kinnlade herunter. »Du machst Witze.«
»Nein. Du warst bei der Virginia State Police, als es am schlimmsten war. Sie flippte vollkommen aus, und ich musste sie wegen Drogenhandels festnehmen. Als sie mich anflehte, sie gehen zu lassen, und sagte, dass sie schwanger und völlig verzweifelt sei, habe ich sie rundheraus gefragt, ob Stan der Vater wäre.«
»Ach du Schande«, murmelte Stacey. Von dieser Sache hörte sie heute zum ersten Mal.
»Sie hat es bestritten. Und meinte, wenn ich Winnie davon erzählen würde, würde sie endgültig abhauen.«
Was die Sache nur um so wahrscheinlicher machte.
»Ich konnte an ihren Augen sehen, dass sie die Schwangerschaft nicht erfunden hatte. Aber ich vermute, dass sie eine Fehlgeburt hatte oder dass sie es außerhalb der Stadt hat wegmachen lassen. Jedenfalls habe ich sie nie mit einem Baby gesehen. Sie war damals, na ja, ungefähr fünfzehn.«
Diese Geschichte verschlug Stacey die Sprache – und brach ihr ein weiteres Mal das Herz. Arme Lisa! Als Stacey damals wieder nach Hope Valley zurückgekommen war, hatte sie Lisa einfach als Junkie und Schlampe hingenommen, ohne sie überhaupt wiederzuerkennen. Wenn sie nie fortgegangen wäre, wenn sie nach dem College gleich wieder hierher gezogen wäre, hätte sie dann vielleicht etwas tun können? Lisa hatte sie früher bewundert, hatte sie wie eine große Schwester behandelt. Wenn sie da gewesen wäre – hätte sie ihr dann helfen können, aus dem Albtraum auszubrechen, zu dem ihr Leben geworden war?
Ein Albtraum, der möglicherweise sexuellen Missbrauch durch ihren Stiefvater mit einschloss?
Sie konnte es nicht einmal ertragen, darüber nachzudenken, wie das arme kleine Mädchen allmählich zu der hilflosen, verzweifelten jungen Frau geworden war, die sich so nach einem Ausweg und nach Liebe gesehnt hatte, dass sie beides bei jedem Mann zu finden versucht hatte, der ihr ein bisschen Aufmerksamkeit schenkte.
Diese finsteren Gedanken wirbelten ihr durch den Kopf; ihr Magen verkrampfte sich und drohte sich ihr umzudrehen. Und im dunkelsten Winkel ihres Geistes setzten sich die passenden Bilder fest und schlugen Wurzeln. Blutige Bilder.
»Ist es möglich, dass er sie zum Schweigen bringen wollte?«, flüsterte sie. »Oder vielleicht ist sie älter geworden, stark genug, um ihn abzuweisen, und dann ist er ausgerastet?« Hatte das die Grausamkeit ausgelöst, die der Sensenmann schließlich an den Tag gelegt hatte?
Ihr Vater schwieg, schaukelte langsam vor und zurück und erwog genau wie Stacey diese Möglichkeit. Aber schließlich murmelte er: »Das Ganze ist eine verdammte Tragödie. Ich kann mir kaum vorstellen, wie anders sich die Dinge entwickelt hätten, wenn ihr Vater nicht bei diesem Unfall ums Leben gekommen wäre.«
Stacey wollte gar nicht darüber nachdenken, wie Lisas Welt in Stücke gesprengt wurde, als ihr Vater starb und ihre Mutter einen absoluten Mistkerl heiratete – einen aus einer ganzen Sippschaft mieser Männer, falls die Gerüchte über die Freeds stimmten. Lisas Leben wäre wohl tatsächlich ganz anders verlaufen.
»Geht mir genauso.« Sie streckte die Hand aus, legte sie so behutsam wie möglich auf seine Finger und dachte nicht zum ersten Mal daran, wie gut sie und ihr Bruder es hatten. Ihr Leben hätte ebenso schieflaufen können wie Lisas, wenn ihr Vater einige andere Entscheidungen gefällt hätte. Himmel, wenn sie sich daran erinnerte, wie Tim und Randy immer Pläne geschmiedet hatten, um ihren verwitweten Vater mit Randys verwitweter Mutter zu verkuppeln …
Schon allein die Vorstellung, mit dieser bösen Hexe von Stiefmutter aufzuwachsen, jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Aber offensichtlich hatte ihr Vater einen weitaus besseren Geschmack. Er hatte einen großen Bogen um Alice Covey und all die anderen Witwen und geschiedenen Ehefrauen gemacht, die ein Auge auf den gut aussehenden Witwer geworfen hatten, und sich ganz Stacey und Tim gewidmet.
Das war einer der Gründe, warum sie so froh war, dass er endlich mit Connie sein eigenes Glück
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