Black Dagger 02 - Blutopfer
demütige Schönheit. Der Inbegriff weiblicher Vollkommenheit und Sanftmut. Wut widersprach ihrem ganzen Naturell.
Trotzdem – je mehr sie über Wrath nachdachte, desto heftiger wollte sie auf etwas einschlagen, Schmerz verursachen, zerstören.
Vorausgesetzt, sie könnte eine Faust ballen.
Sie blickte auf ihre Hand herab. Jawohl, sie konnte es. Wenn es auch eine lächerlich kleine Faust war.
Vor allem im Vergleich zu Wraths Pranken.
Gott, sie hatte so viel erduldet, all die Jahrhunderte lang. Und ihm schien völlig gleichgültig zu sein, wie schwer das Leben für sie gewesen war.
Die Shellan des mächtigsten noch lebenden Vampirs und gleichzeitig eine immer noch unberührte alte Jungfer zu sein, war die Hölle auf Erden. Ihr Versagen als Frau hatte jeden Rest von Selbstwertgefühl in ihr zerstört. Die Einsamkeit hatte ihr beinahe den Verstand geraubt. Die Scham darüber, bei ihrem Bruder zu leben, weil sie kein eigenes Heim besaß, brannte wie Feuer in ihrem Inneren.
Es war grauenhaft gewesen, immer angestarrt zu werden, zu wissen, dass man hinter ihrem Rücken über sie sprach. Ihr war sehr wohl bewusst, dass ihr Leben ein endloses Gesprächsthema war, dass man sie beneidete, bemitleidete, sie beobachtete. Dass sich Fabeln um sie rankten. Sie wusste, dass man jungen Vampirinnen ihre Geschichte erzählte, ob nun als Warnung oder als Ansporn, wer wollte das schon so genau wissen.
Wrath hatte keine Ahnung, wie sehr sie gelitten hatte.
Zum Teil lag die Schuld daran bei ihr selbst. Die brave kleine Frau zu spielen war ihr richtig erschienen, der einzig würdige Weg, die einzige Chance, doch noch ein Leben mit ihm teilen zu können.
Doch zu was hatte das alles geführt?
Dazu, dass er eine dunkelhaarige, menschliche Frau gefunden hatte, die ihm mehr bedeutete.
Das war nicht nur unfair, das war schon regelrecht grausam.
Und sie war doch nicht die einzige, die gelitten hatte. Havers war schon seit Jahrhunderten krank vor Sorge um sie.
Wrath dagegen war es immer prächtig gegangen. Und zweifellos ging es ihm auch jetzt gerade prächtig. Aller Wahrscheinlichkeit nach lag er in eben diesem Augenblick nackt auf der Schwarzhaarigen. Und machte ausgiebig Gebrauch von seinem harten Organ.
Marissa schloss die Augen.
Sie dachte daran, wie es sich angefühlt hatte, in seine kräftigen Arme gezogen, an seinen Körper gepresst zu werden. Sie war viel zu geschockt gewesen, um Hitze zu spüren. Er war einfach überall gewesen, die Hände in ihrem Haar, der Mund an ihrem Hals saugend. Und das ungewohnte Gefühl seines harten Gliedes an ihrem Unterleib hatte sie beinahe erschreckt.
Was ein Witz war.
So lange hatte sie sich ausgemalt, wie es wohl sein könnte. Von ihm genommen zu werden. Endlich ihre Jungfräulichkeit hinter sich zu lassen und zu wissen, was es bedeutete, einen Mann in sich zu spüren.
Immer wenn sie sich das erträumt hatte, hatte sich ihr Körper erwärmt, die Haut geprickelt. Doch die Wirklichkeit war überwältigend gewesen. Sie war vollkommen unvorbereitet gewesen und nun wünschte sie, es hätte länger angedauert und wäre etwas weniger heftig gewesen. Irgendwie glaubte sie, dass es ihr besser gefallen hätte, wenn er es langsamer hätte angehen lassen.
Doch er hatte ja dabei überhaupt nicht an sie gedacht.
Marissa ballte erneut die Hand zur Faust.
Sie wollte ihn nicht zurück. Was sie wollte war, ihm eine Kostprobe von dem Schmerz zu geben, den sie selbst so lange erlitten hatte.
Wrath legte die Arme um Beth und zog sie an sich. Über ihren Kopf hinweg blickte er zu Rhage, der auf dem Bett lag; ihre Fürsorge für seinen Bruder hatte sämtliche seiner Mauern eingerissen.
Was du meinen Brüdern getan hast, das hast du auch mir getan, dachte er. Das war der älteste Kodex der Kriegerklasse.
»Komm mit in mein Bett«, flüsterte er ihr ins Ohr.
Sie ließ sich von ihm in sein Zimmer führen. Dann ließ er das Türschloss einschnappen und löschte alle Kerzen bis auf eine. Er öffnete den Gürtel des Morgenmantels, den sie trug, und schob den Satinstoff über ihre Schultern. Ihre nackte Haut glänzte im Schein der einzigen brennenden Kerze.
Er zog seine Lederhose aus, und sie legten sich zusammen ins Bett.
Er wollte keinen Sex. Nicht jetzt. Er suchte nur ein wenig Trost. Ihre warme Haut an seiner, ihr Atem, der weich über seine Brust strich, ihr Herz, das nur Zentimeter von seinem eigenen entfernt schlug. Und er wollte ihr denselben Frieden zurückgeben.
Sanft strich er über ihr
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