Black Dagger 02 - Blutopfer
langes, seidiges Haar und atmete tief ein.
»Wrath?« Ihre Stimme klang wunderschön in der gedämpften Stille.
»Ja?« Er küsste sie auf den Scheitel.
»Wen hast du verloren?« Sie verlagerte ihr Gewicht und legte das Kinn auf seine Brust.
»Verloren?«
»Wen haben dir die Lesser genommen?«
Die Frage schien aus heiterem Himmel zu kommen. Und
dann auch wieder nicht. Sie hatte die Folgen eines Kampfes mit eigenen Augen gesehen. Und sie wusste einfach, dass er nicht nur für die Vampire, sondern auch für sich selbst kämpfte.
Es dauerte lange, bis er antworten konnte. »Meine Eltern. «
Er konnte spüren, wie ihre Neugier sich in Kummer verwandelte. »Das tut mir sehr leid.«
Lange schwiegen sie.
»Was ist geschehen?«
Das ist eine interessante Frage, dachte er. Denn es gab zwei Versionen davon, was damals geschehen war. In der Überlieferung der Vampire war diese blutige Nacht überfrachtet mit heroischer Symbolik, wurde besungen als Geburtsstunde eines großen Kriegers. Daran hatte er keinen Anteil. Sein Volk musste an ihn glauben, deshalb hatte es diese Sage für sich geschaffen, um das seiner Ansicht nach völlig ungerechtfertigte Vertrauen in ihn aufrechtzuerhalten.
Er allein kannte die Wahrheit.
»Wrath?«
Sein Blick wandte sich der nur schemenhaft erkennbaren Schönheit ihres Gesichts zu. Er konnte schwerlich ihren sanften Tonfall leugnen. Sie wollte ihm ihr Mitgefühl anbieten, und aus irgendeinem absonderlichen Grund wollte er es von ihr annehmen.
»Das war vor meiner Transition«, begann er leise. »Vor langer, langer Zeit.«
Ruhig lag seine Hand auf ihrem Haar, die Erinnerung kehrte lebendig und schauerlich zurück.
»Wir dachten, als Hohe Familie wären wir vor den Lessern sicher. Unser Heim wurde bestens bewacht und lag gut verborgen in den Wäldern. Außerdem wechselten wir oft unseren Aufenthaltsort.«
Er stellte fest, dass er weitersprechen konnte, solange er nicht aufhörte, über ihr Haar zu streichen.
»Es war Winter, eine kalte Februarnacht. Einer unserer Diener hatte uns verraten, doch wir wussten nichts davon. Die Lesser kamen mit einer Bande von fünfzehn oder gar zwanzig Mann und auf ihrem Weg über unser Anwesen töteten sie jeden, der sich ihnen in den Weg stellte, bis sie schließlich die steinernen Zinnen überwanden. Das Geräusch werde ich nie vergessen, als sie gegen die Tür unserer Privatgemächer hämmerten. Mein Vater rief nach seinen Waffen, während er mich mit Gewalt in einen Zwischenraum unter dem Fußboden schob. Er konnte mich dort gerade noch einschließen, bevor sie mit einem Rammbock die Tür durchbrachen. Er war ein guter Schwertkämpfer, aber sie waren einfach zu viele.«
Beths Hände legten sich auf sein Gesicht. Wie durch einen Schleier hörte er besänftigende Worte aus ihrem Mund.
Gequält schloss Wrath die Augen, die entsetzlichen Bilder rissen ihn heute noch oft aus dem Schlaf. »Zuerst schlachteten sie die Diener ab, dann erst töteten sie meine Eltern. Ich konnte alles durch ein Astloch beobachten. Wie gesagt, damals waren meine Augen noch besser.«
»Wrath –«
»Sie machten so einen Lärm, dass niemand mich schreien hörte.« Er schauderte. »Und ich versuchte mit allen Mitteln, mich zu befreien. Ich drückte gegen den Riegel, doch er war zu massiv, und ich war damals zu schwach. Ich riss an den Holzbalken, kratzte daran, bis meine Fingernägel zersplitterten und bluteten. Ich trat mit den Füßen …« Sein Körper reagierte auf die Erinnerung an den Schrecken des Eingeschlossenseins, sein Atem wurde unregelmäßig, kalter Schweiß brach auf seiner Haut aus. »Als sie endlich weg waren, versuchte mein
Vater, sich zu mir zu schleppen. Sie hatten ihm ein Messer ins Herz gestoßen, und er war … Einen halben Meter vor meinem Versteck blieb er liegen, die Hände nach mir ausgestreckt. Immer wieder rief ich seinen Namen, bis meine Stimme schließlich versagte. Ich flehte noch um sein Leben, als ich das Licht in seinen Augen verlöschen sah. Stundenlang war ich dort gefangen und sah zu, wie die Blutlachen um ihre Leichen herum immer größer wurden. In der folgenden Nacht kamen einige Vampire und befreiten mich.«
Sie strich ihm sanft über die Schulter, und er nahm ihre Hand und küsste die Innenfläche.
»Bevor sie gingen zogen die Lesser noch alle Vorhänge von den Fenstern zurück. Sobald die Sonne aufging und ins Zimmer schien, verbrannten alle Leichen zu Asche. Ich hatte nichts, was ich begraben konnte.«
Er spürte etwas auf
Weitere Kostenlose Bücher