Black Dagger 03 - Ewige Liebe
Furcht, hatte ihre Mutter an Wunder geglaubt.
Mary hatte ihre Mutter fragen wollen, ob sie tatsächlich glaubte, sie würde gerettet werden. Und zwar nicht im metaphorischen Sinne, sondern im praktischen. Hatte Cissy wirklich daran geglaubt, dass die richtigen Worte und die richtigen Gegenstände um sie herum sie heilen könnten? Dass sie wieder laufen, wieder leben würde?
Die Fragen wurden niemals gestellt. Das wäre einfach nur grausam gewesen, und Mary hatte die Antwort ohnehin gekannt. Sie hatte gespürt, dass ihre Mutter auf Erlösung gehofft hatte, bis zum bitteren Ende.
Aber vielleicht hatte Mary auch einfach nur das auf sie projiziert, was sie selbst sich gewünscht hatte. Für sie bedeutete Rettung, das eigene Leben wie ein normaler Mensch leben zu dürfen: Man war gesund und stark, und der Tod war weit weg, kaum real, eine eher theoretische Möglichkeit. Eine Schuld, die man in einer nicht vorstellbaren Zukunft abzahlte.
Vielleicht hatte ihre Mutter das anders gesehen, doch eines war sicher: Das Ergebnis war das gleiche gewesen. Die Gebete hatten sie nicht gerettet.
Mary schloss die Augen, die Erschöpfung drückte sie nieder. Leere breitete sich in ihr aus, und sie war dankbar dafür.
Sie schlief mehrere Stunden lang, wurde wach, döste wieder ein, warf sich im Bett herum.
Um sieben Uhr wachte sie auf und griff nach dem Telefon. Sie wählte die Nummer, die Bella ihr gegeben hatte, um Hal zu erreichen, legte aber wieder auf, ohne eine Nachricht zu hinterlassen. Abzusagen wäre sicher das einzig Richtige, sie würde heute keine besonders gute Gesellschaft sein. Aber verdammt noch mal, heute wollte sie einmal egoistisch sein. Sie wollte ihn sehen. Bei Hal fühlte sie sich lebendig, und dieses Gefühl brauchte sie jetzt unbedingt.
Nach einer kurzen Dusche schlüpfte sie in einen Rock und einen Rolli. Beides saß lockerer als gewohnt, und sie musste an die Waage heute Morgen denken. Sie konnte heute Abend ruhig so viel essen wie Hal, denn es gab weiß Gott momentan keinen Grund, Diät zu halten. Wenn vor ihr eine weitere Runde Chemo lag, sollte sie lieber vorher ein paar Pfund zulegen.
Der Gedanke ließ sie erstarren.
Sie fuhr sich mit den Händen durch das Haar, zog es vom Kopf weg und ließ es durch die Finger auf die Schulter fallen. So unscheinbar braun, dachte sie. Und so unbedeutend für das Große und Ganze.
Bei der Vorstellung, es wieder zu verlieren, traten ihr die Tränen in die Augen.
Doch sie riss sich zusammen, strich die Strähnen zurück und drehte sie zu einem Knoten, den sie mit Nadeln befestigte.
Ein paar Minuten später stand sie vor der Tür und wartete. Die Kälte war ein Schock, und sie bemerkte, dass sie vergessen hatte, eine Jacke anzuziehen. Also ging sie wieder ins Haus und nahm eine schwarze Wolljacke von der Garderobe, doch unterwegs war ihr der Schlüssel abhandengekommen.
Wo war der Schlüssel? Hatte sie den Schlüssel in der –
Jawohl, der Schlüssel steckte im Schloss.
Sie ging hinaus, machte die Tür hinter sich zu und schloss ab, dann steckte sie den Schlüsselbund in die Jackentasche.
Während sie wartete, dachte sie an ihr Gespräch mit Hal.
Trag dein Haar offen für mich.
Ist gut.
Sie zog die Nadeln heraus und kämmte mit den Fingern durch die Haare, so gut sie konnte. Dann blieb sie reglos stehen.
Der Abend war so still. Genau deshalb liebte sie es, so weit draußen zu wohnen; sie hatte keine Nachbarn außer Bella.
Was sie wieder daran erinnerte: Sie hatte anrufen und von der Verabredung berichten wollen, hatte sich aber nicht danach gefühlt. Morgen. Morgen würde sie mit Bella sprechen. Und von den zwei Verabredungen berichten.
Eine Limousine bog etwa einen halben Kilometer entfernt von der Straße ab und beschleunigte danach wieder mit einem tiefen Brummen. Wären die beiden Scheinwerfer nicht gewesen, sie hätte gedacht, eine Harley käme den Weg entlang.
Als der alte violette Sportwagen vor ihr anhielt, dachte sie, er sähe aus wie eine Art GTO. Glänzend, laut, auffällig … und er passte perfekt zu einem Mann, der sowohl für Geschwindigkeit als auch für Aufmerksamkeit etwas übrig hatte.
Hal stieg aus der Fahrertür und ging um die Motorhaube herum. Er trug einen Anzug, einen wirklich scharfen schwarzen Anzug, und darunter ein schwarzes Hemd mit offenem Kragen. Sein Haar war aus dem Gesicht gekämmt und fiel ihm in dicken, goldenen Wellen in den Nacken. Er sah sexy, kraftvoll und mysteriös aus.
Nur, dass seine Miene nicht gerade der
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