Black Dagger 07 - Menschenkind
nein. Und du hast ihn nicht geschont, wie man sieht, denn er ist dem Tode nahe. Ja, ich kann den Tod kommen fühlen. Er ist ganz nah.« Omega beugte sich wieder herunter und atmete die Luft über Butchs Körper ein. »Ja, er stirbt innerhalb einer Stunde. Vielleicht schneller. «
»Er wird so lange durchhalten, wie ich es will.«
»Nein, das wird er nicht.« Omega begann, den Tisch zu umkreisen, und Butchs Blick folgte ihm. Das Entsetzen
wurde immer beklemmender, es verstärkte sich in der Zentrifugalkraft der Schritte des Bösen. Herum, herum, herum, immer im Kreis … Der Ex-Cop zitterte so heftig, dass seine Zähne klapperten.
In der Sekunde, als Omega am hinteren Ende des Tisches stehen blieb, hörte das Zittern auf. Schattenhände erhoben sich, ergriffen die Kapuze des weißen Umhangs und zogen sie herunter. Die nackte Glühbirne flackerte, als würde ihre Helligkeit von der schwarzen Gestalt eingesaugt.
»Du lässt ihn gehen«, sagte Omega mit einer Stimme wie eine Welle, die durch die Luft abwechselnd gefiltert und verstärkt wurde. »Du lässt ihn aus dem Wald heraus. Du sagst den anderen, sie sollen sich von ihm fernhalten.«
Was?, dachte Butch.
»Was?«, fragte der Haupt- Lesser.
»Zu den Schwächen der Bruderschaft gehört eine unbedingte Loyalität, ist es nicht so? Ja, eine schon stupide Treue. Sie beanspruchen, was ihnen gehört. Das ist das Tier in ihnen.« Omega streckte die Hand aus. »Ein Messer, bitte. Ich beabsichtige, diesen Menschen zu einem nützlichen Werkzeug zu machen.«
»Gerade sagten Sie noch, er würde sterben.«
»Aber ich werde ihm ein wenig Leben geben, sozusagen. Wie auch ein Geschenk. Messer.«
Butch riss die Augen weit auf, als eine zwanzig Zentimeter lange Jagdklinge von einer Hand in die andere wanderte.
Omega legte eine Hand auf den Tisch und setzte die Klinge an der Fingerkuppe an. Ein Knacken ertönte, so als würde man frische Karotten schneiden.
Dann beugte Omega sich über Butch. »Wohin damit, wohin damit …«
Als das Messer angehoben wurde und über Butchs Bauch schwebte, schrie er auf. Und er schrie immer noch, als die Klinge flach in seine Baudecke eindrang. Dann hob Omega
das kleine Stück seiner selbst auf, die schwarze Fingerkuppe. Butch wehrte sich, er zerrte wie wahnsinnig an den Fesseln. Vor Grauen quollen seine Augen hervor, bis ihn der Druck auf die Sehnerven blind machte.
Omega schob die Fingerkuppe in Butchs Bauch, dann senkte er den Kopf und blies über den frischen Schnitt. Die Haut verheilte, das Fleisch schloss sich. Unmittelbar fühlte Butch die Fäulnis in sich, spürte das Böse sich winden, sich bewegen. Er hob den Kopf. Die Haut um den Schnitt herum verfärbte sich bereits grau.
Tränen schossen ihm in die Augen. Rannen über seine wunden Wangen.
»Lass ihn frei.«
Der Haupt- Lesser machte sich an den Ketten zu schaffen, doch als sie entfernt waren, stellte Butch fest, dass er sich nicht rühren konnte. Er war gelähmt.
»Ich werde ihn wegbringen«, erklärte Omega. »Und er wird überleben und seinen Weg zurück zur Bruderschaft finden.«
»Sie werden Euch spüren.«
»Vielleicht, aber sie werden ihn trotzdem zu sich nehmen. «
»Er wird es ihnen erzählen.«
»Nein, denn er wird sich nicht an mich erinnern.« Omegas Gesicht neigte sich zu Butch herunter. »Du wirst dich an überhaupt nichts erinnern.«
Als ihre Blicke sich trafen, konnte Butch die Verbundenheit zwischen ihnen fühlen, das Band spüren, das nun zwischen ihnen bestand. Er weinte um seiner selbst willen, doch mehr noch um die Bruderschaft. Sie würden ihn aufnehmen. Sie würden versuchen, ihm zu helfen, soweit sie es irgendwie vermochten.
Und so sicher wie das Böse in ihm war, würde er sie am Ende verraten.
Außer natürlich, Vishous oder die anderen Brüder würden ihn nicht finden. Wie sollten sie? Und ohne Kleider würde er sicher bald an Unterkühlung sterben.
Omega wischte ihm die Tränen von der Wange. Der feuchte Schimmer lag schillernd auf den durchsichtigen schwarzen Fingern, und Butch wollte zurück, was er verloren hatte. Keine Chance. Das Böse hob die Hand und ergötzte sich an Butchs Schmerz und Furcht, leckte … saugte.
Die Verzweiflung vernebelte Butch das Gehirn, doch der Glaube, dem er einst abgeschworen hatte, spuckte eine weitere Zeile des Psalms aus: Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.
Doch das ging jetzt nicht mehr, oder? Er hatte das Böse in sich, trug es
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