Black Dagger 08 - Vampirherz
einen Keil zwischen sie getrieben, dann war ihre sexuelle Unzulänglichkeit enthüllt worden.
»Es ist schon okay, Marissa. Du kannst einfach gehen. Du musst nichts sagen.«
Sie ließ den Kopf sinken. »Sehen wir uns beim Ersten Mahl?«
»Ja … klar.«
Wie in einem Nebel lief sie vom Pförtnerhäuschen zum Haupthaus. Als ein Doggen die Tür der Vorhalle für sie öffnete, musste sie den Saum von Butchs Morgenmantel raffen, um nicht zu stolpern … wodurch ihr einfiel, dass sie ja überhaupt nichts anzuziehen hatte.
Zeit, sich mit Fritz zu unterhalten.
Nachdem sie den Butler in der Küche gefunden hatte, fragte sie ihn nach dem Weg zur Garage.
»Sucht Ihr nach Euren Kleidern, Herrin? Soll ich Euch nicht welche aufs Zimmer bringen?«
»Ich würde lieber selbst ein paar Dinge aussuchen.« Da er nervös zu einer Tür rechts von sich schielte, ging sie in diese Richtung. »Ich verspreche, mich zu melden, wenn ich Hilfe brauche.«
Der Doggen nickte, nicht im Mindesten beschwichtigt.
Sobald sie die Garage betrat, blieb sie stocksteif stehen. Wo war sie denn hier hineingeraten? Da standen keine Autos in den sechs Parkbuchten. Dafür war kein Platz. Du liebe Güte … Kisten. Nein, keine Kisten. Särge? Was war das?
»Herrin, Eure Habseligkeiten sind hier drüben.« Fritz’ Stimme hinter ihr war respektvoll, aber sehr fest, als gingen sie die ganzen Kiefernholzbehälter nichts an. »Würdet Ihr mir bitte folgen?«
Er führte sie zu ihren vier Schrankkoffern, ihren Reisetaschen und Schachteln. »Seid Ihr sicher, dass ich Euch keine Kleider aufs Zimmer bringen soll?«
»Ja.« Sie berührte das Messingschloss an einer ihrer Louis-Vuitton-Taschen. »Würdest du mich bitte allein lassen?«
»Selbstverständlich, Herrin.«
Sie wartete, bis sie die Tür zufallen hörte, dann löste sie den Riegel an dem Schrankkoffer vor sich. Als sie die beiden Hälften auseinanderzog, quollen Röcke hervor, farbenprächtig, üppig, wunderschön. Sie erinnerte sich, die Kleider zu Bällen und Treffen des Princeps -Rates getragen zu haben und anlässlich der Abendgesellschaften ihres Bruders und …
Sie bekam eine Gänsehaut.
Rasch wandte sie sich dem nächsten Koffer zu. Und dem nächsten. Und dem letzten. Dann fing sie wieder beim ersten an und nahm jeden einzelnen erneut in Augenschein. Und dann wiederholte sie das Ganze noch einmal.
Das war doch lächerlich. Was spielte es schon für eine Rolle, was sie trug? Such dir einfach eins aus.
Sie streckte die Hand aus und nahm sich … Nein, das hatte sie getragen, als sie sich damals zum ersten Mal von Rehvenge genährt hatte. Wie wäre es mit diesem? Nein, das Kleid hatte sie bei einer Geburtstagsfeier ihres Bruders getragen. Aber das hier …
Wie ein Feuer spürte Marissa die Wut in sich auflodern. Der Zorn durchströmte sie, erhitzte sie innerlich, flammte durch ihren Körper. Wahllos riss sie Kleider von den gepolsterten Bügeln, auf der Suche nach einem, das keine bösen Erinnerungen auslöste. Immer war sie unterworfen gewesen, eingekerkert, absichtlich verletzlich gehalten im goldenen Käfig. Sie ging zum nächsten Schrank, und noch mehr feinste Stoffe flogen durch die Luft. Ihre Hände wüteten, zerrten, zerrissen.
Dann flossen die Tränen, und sie wischte sie ungeduldig weg, bis sie nichts mehr sehen konnte und aufhören musste. Sie rieb sich mit beiden Händen über das Gesicht, dann ließ sie die Arme sinken und stand einfach nur still inmitten des regenbogenfarbenen Durcheinanders, das sie angerichtet hatte.
In diesem Moment fiel ihr die Tür in der hinteren Ecke auf.
Und jenseits davon konnte sie durch die Glasscheibe den Rasen hinter dem Haus erkennen.
Marissa starrte auf die Schneeflecken. Dann blickte sie nach links, wo der Rasenmäher neben der Tür stand – und daneben eine rote Dose. Weiter wanderte ihr Blick, über Vertikutierer und Eimer mit Düngemitteln bis hin zu einem Gasgrill, auf dessen Deckel eine kleine Schachtel stand.
Dann betrachtete sie die Haute Couture im Wert von hundert- und aberhunderttausend Dollar.
Sie brauchte gute zwanzig Minuten, um jedes einzelne ihrer Kleider in den Garten zu schleppen. Und auch die Korsetts und die Umhänge wurden nicht verschont. Als sie endlich fertig war, schimmerten ihre Roben geisterhaft im Mondlicht, stumme Schatten eines Lebens, zu dem sie nie zurückkehren würde, einem Leben voller Privilegien … voller Beschränkungen … und golden verbrämter Herabsetzungen.
Sie zog eine Schärpe aus dem Haufen
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